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Partnerwahl: Zwischen Gegensätzen und Ähnlichkeiten  
  "Gleich und gleich gesellt sich gern" bzw. "Gegensätze ziehen sich an": Der Volksmund ist um die Integration widersprüchlicher Verhaltensweisen nie verlegen. Der Wissenschaft geht es bei der Frage der Partnerwahl oft auch nicht anders: Eine aktuelle Studie kam zum Schluss, dass Frauen die Gesichter von Männern dann besonders attraktiv finden, wenn sie ihnen selbst ähneln. Und das steht im Gegensatz zu dem meisten, was man aus der Biologie der Reproduktion bisher weiß.  
Dort bedeutet die erfolgreiche Auswahl seines Partners jenen auszumachen, der einen bestmöglichen Fortpflanzungserfolg verspricht: auf der einen Seite gute Erbanlagen, aber auch das Versprechen, bei der Aufzucht des Nachwuchses die nötige Fürsorge walten zu lassen.
Gen-Unterschiede gegen Inzucht
Die Mehrzahl an Studien geht deshalb davon aus, dass Individuen genetisch unterschiedliche Partner bevorzugen, um Inzuchtfolgen zu vermeiden.

Genau das Gegenteil hat nun aber ein Team um den Biologen Craig Roberts von der Universität Newcastle herausgefunden. Ihre Studien zur Bewertung von attraktiven Gesichtern veröffentlichten sie in den "Biology Letters" der britischen Royal Society.
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Die Studie "MHC-assortative facial preferences in humans" ist in den "Biology Letters" (DOI: 10.1098/rsbl.2005.0343; Ausgabe vom 13. Juli 2005) erschienen.
->   Abstract in den "Biology Letters"
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Mix von Immun-Genen stärkt Körperabwehr
Die Frage, welche Menschen aus biologischer Sicht bei der Partnerwahl bevorzugt werden, hat in den vergangenen Jahren zu einem Boom einschlägiger Untersuchungen geführt.

Meistens handelte es sich dabei um Geruchsstudien: So bevorzugen Frauen solche Männer, deren Geruch anzeigt, dass sich ihre Gene im so genannten "Major Histocompatibility Complex" (MHC) möglichst weitgehend von den eigenen unterscheiden.

Die MHC-Gene spielen eine wichtige Rolle im Immunsystem bei der Erkennung fremder Eiweiße. Eine Kombination verschiedener MHC-Gene bzw. -Moleküle verbessert die körpereigene Abwehr des potenziellen Nachwuchses.
Porträtfotos bewertet für Lang- und Kurzbeziehung
Um zu untersuchen, ob auch die visuelle Beurteilung von Gesichtern zu ähnlichen Ergebnissen führt, haben Craig Roberts und sein Team nun ein spezielles Setting ausprobiert: 92 Frauen zwischen 18 und 35 Jahren wurden Porträtfotos von 75 bartlosen Männern vorgelegt.

Ihre Attraktivität hatten sie in zweierlei Hinsicht zu bewerten: einerseits in der Vorstellung einer möglichen kurzen Affäre, andererseits einer länger dauernden, stabilen Beziehung. Von den Frauen wie auch von den Männern waren die MHC-Gene bekannt.
Ähnliche Immungene attraktiver
Das laut den Forschern überraschende Resultat: Im Gegensatz zu den früheren Geruchsstudien zeigten sich die Frauen eher angetan von Männern, die über ähnliche MHC-Gene verfügten - der Zusammenhang war bei der Vorstellung einer längerfristigen Beziehung noch stärker als bei einer kurzen Affäre.

Dass damit erstmals ein Zusammenhang zwischen den MHC-Genen und visuellen Signalen bewiesen wurde, davon zeigen sich Roberts und sein Team überzeugt - wie der Mechanismus genau funktioniert, sollen künftige Studien klären.
Zusammenspiel von optischen und Geruchssignalen?
Schon jetzt aber stellen sie mehrere Thesen zur vermeintlichen Widersprüchlichkeit mit den Geruchsstudien auf, darunter eine nach Eigenbewertung besonders "faszinierende": Ihr zufolge könnte es sich um ein perfektes Zusammenspiel von visuellen und olfaktorischen Bewertungen handeln.

Während optische Eindrücke - zu denen die Gesichter gehören - alle Individuen ausfiltern, die über komplett andere Genotypen verfügen, sorgen die Geruchseindrücke dafür, dass allzu verwandte potenziell Paarungsbereite von der Liste gestrichen werden.

Soweit zumindest die Sicht der britischen Biologen auf unser - definitionsgemäß auf Fortpflanzung ausgerichtetes - Sexualverhalten.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 13.7.05
->   Was ist ein schönes Gesicht? (Uni Regensburg)
->   Faculty of Medical Sciences, University of Newcastle
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->   Gegensätze ziehen sich nicht an (1.7.03)
 
 
 
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01.01.2010