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Warum Pflanzen nicht erfrieren  
  Viele Pflanzen sind in der Lage, für längere Zeit kühleren Temperaturen oder gar Frost zu widerstehen. Deutsche Forscher haben nun herausgefunden, was dabei auf der Ebene der Gene passiert.  
Wie die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam berichten, verändert sich dabei die Expression bei über 2.000 Genen. Das sind fast zehn Prozent aller untersuchten Erbfaktoren.
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Die Studie "A global survey of gene regulation during cold acclimation in Arabidopsis thaliana" von Matthew A. Hannah et al. erschien im Fachjournal "PLoS Genetics" (Band 1, Ausgabe vom 11. August 2005).
->   PLoS Genetics
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Kein Mendelsches Merkmal
Frosttoleranz ist für Pflanzen in gemäßigten und kalten Klimazonen ein wichtiger Faktor, der die geographische Verbreitung einer Art entscheidend mitbestimmt. In der Landwirtschaft führen Frosteinbrüche darüber hinaus immer wieder zu katastrophalen Ernteverlusten.

Doch der klassischen Pflanzenzüchtung ist es bisher nicht gelungen, die Frosttoleranz wichtiger Kulturpflanzen entscheidend zu verbessern. Dies liegt vor allem daran, dass die Frosttoleranz ein komplexes, quantitatives Merkmal von Pflanzen ist, das keinem einfachen Mendelschen Vererbungsschema folgt.
Der Kälte trotzen
 
Bild: Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie

Eingefrorene Arabidopsis-Pflanze. Diese Pflanze wurde unter speziellen Laborbedingungen eingefroren. Arabidopsis ist aber auch in der Lage, unter natürlichen Bedingungen im Freiland zu überwintern.
Toleranz ist veränderbar
Zudem sind viele Pflanzen der gemäßigten Breiten in der Lage, während einer Akklimatisierungsphase von mehreren Tagen bis Wochen bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt ihre Frosttoleranz deutlich zu erhöhen. In der Natur findet dieser Prozess im Herbst statt und bereitet die Pflanzen auf das Überleben im Winter vor.
Mechanismen bekannt, Gene nicht
Diese Akklimatisierungsfähigkeit ist seit langem bekannt und die ihnen zugrunde liegenden physiologischen und genetischen Mechanismen wurden vielfach untersucht.

Dennoch war bisher unbekannt, wie viele und welche Gene an der Akklimatisierung einer Pflanze an niedrige Temperaturen beteiligt sind. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie haben deshalb die Expression aller Gene von Arabidopsis thaliana, der Ackerschmalwand, mit Hilfe spezieller "Microarray"-Techniken untersucht.

Diese erlauben es inzwischen, die Aktivität aller Gene eines Organismus in einer einzigen Messung zu bestimmen.
Arabidopsis ist einer der wichtigsten pflanzlichen Modellorganismen und zeigt eine gute Kälteakklimatisierung.

Da das Genom dieser Pflanze vollständig sequenziert ist, eignet sie sich besonders gut für Experimente, bei denen die globale Regulation der Genexpression untersucht wird.
->   Microarray - Wikipedia
Konzert der Gene entziffert
 
Bild: Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie

Analyse der Änderungen der Genexpression in Arabidopsis thaliana während der Kälteakklimatisierung. Blau markierte Gene wurden nach der Akklimatisierung verstärkt, rot markierte Gene hingegen weniger stark exprimiert.
2.000 Genaktivitäten verändert
Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass nach einer Akklimatisierung von 14 Tagen bei 4 Grad Celsius sich die Expression bei mehr als 2.000 Genen signifikant veränderte.

Das sind fast zehn Prozent aller untersuchten Gene. Die Zuordnung der identifizierten Gene zu funktionellen Gruppen erlaubt nun Rückschlüsse auf wichtige, bisher nicht identifizierte physiologische Anpassungsmechanismen.

Diese Informationen sind nicht nur wichtig, um die Anpassung von Pflanzen an natürliche Winterbedingungen besser zu verstehen, sondern auch, um die Frosttoleranz von Nutzpflanzen züchterisch gezielt verbessern zu können.

[science.ORF.at/MPG, 16.8.05]
->   Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie
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01.01.2010