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Frauenarme Wissenschaften an US-Universitäten  
  Der Karriereweg von Frauen an US-amerikanischen Universitäten ist noch ein steiniger. Dem Doktorentitel folgt oft die Abkehr von der Akademie. Laut US-Forscherinnen sind Voreingenommenheit, frostiges Campus-Klima und Doppelbelastung Familie - Job die größten Hindernissen. Erste Programme zu ihrem Abbau wecken Hoffnung.  
Seit 25 Jahren existiert in den USA das Gesetz zur Gleichbehandlung der Frauen bei Ausbildung und Beschäftigung in Wissenschaft und Technik (Women in Science and Technology Equal Opportunity Act).

Die Wissenschaftlerin Jo Handelsman der Universität von Wisconsin-Madison veröffentlichte nun mit renommierten Wissenschaftskolleginnen eine Situations-Analyse. Gegenüber der BBC beschreibt Handelsman die Lage: "Die gute Nachricht ist, dass wir Fortschritt machen, die schlechte, dass noch ein langer Weg vor uns liegt."
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Der Artikel "More Women in Science" erschien in der Zeitschrift Science (Band 309, Ausgabe vom 19.8.2005, S. 1190-1191, DOI: 10.1126/science.1113252).
->   Artikel
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Pool an Akademikerinnen
Laut den US-Forscherinnen gibt es einen Pool von Akademikerinnen, Nutzen ziehen die Hochschulen daraus keinen.

Die Zahlen von Frauen, die den amerikanischen Doktorentitel (PhD) aufweisen, und jenen, die Top-Positionen an amerikanischen Universitäten besetzen, würde vor allem in den biologischen und physischen Disziplinen wie auch im Ingenieurswesen weit auseinanderklaffen.

Der Nationalen Wissenschaftsstiftung (National Science Foundation) zufolge stellen Frauen in den 50 renommiertesten Departments für Biologie 46 Prozent der PhD-Absolventen. Nur die Hälfte von ihnen würde bis zum Rang eines "Associated Professors" aufsteigen, 15 Prozent seien Professorin (Full Professor).

In den physischen Disziplinen zeichnet sich ein noch düsteres Bild: Während ein Viertel aller PhD-Abschlüsse von Wissenschaftlerinnen gemacht werden, gibt es sechs Prozent Professorinnen. Im Ingenieurswesen gibt es 15 Prozent PhD-Absolventinnen, vier Prozent Professorinnen.
->   Mehr zu unterschiedlichen US-Professuren bei Wikipedia
Kulturelle und strukturelle Hindernisse
Aus was resultiert die einseitige Repräsentanz des Geschlechts im Wissenschaftsbetrieb? Für biologische Ursachen wie geschlechtsspezifische Intelligenz gibt es laut den US-Forscherinnen keine Beweise.
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Eva Schernhammer, Assistant Professor an der Harvard Medical School, beschreibt in einem aktuellen Gastbeitrag für science.ORF.at die Situation an den US-Unis und welche Strategien gegen Diskriminierung bereits Erfolg gezeigt haben.
->   Exzellenz: Eine Frage des Geschlechts?
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Es seien große kulturellen und strukturelle Hindernisse, die Frauen den Zugang zu akademischen Top-Positionen nach wie vor erschweren. Diese abzubauen sei für eine Qualitätssicherung an den Universitäten und die Aufrechterhaltung von Wettbewerbsfähigkeit sehr wichtig.

Handelsman fordert Heterogenität unter Studenten, Lehrenden und Verwaltung. Diese würde die Universitäten grundlegend stärken und eine kritischere Auseinandersetzung mit Entscheidungen zulassen.

Im Artikel gibt das Forscherteam den wichtigsten Hürden, die der akademischen Karriere von Frauen häufig im Weg stehen, vier Namen:
Faktor 1: Die Pipeline
Es fehlt Junior-Forscherinnen an weiblichen Role Models. Laut der Forscherinnen interpretieren männliche Lehrende die zögerliche Haltung und Zweifel von Frauen als Abneigung und verabsäumen daher, ihre Studentinnen zur akademischen Laufbahn zu ermutigen.

Junior-Wissenschaftler werden laut der Studie auch häufiger als ihre männlichen Kollegen gebeten, als Sprecherinnen oder Studentenberaterinnen Campus-Verpflichtungen zu erfüllen. Daher braucht es besseren Rat und Beistand, wie Frauen ihre Zeit an der Universität am besten investieren sollten.

Lösungsansätze können spezifische Programme darstellen, die Beratung bieten: eine stärkerer Ermutigung, Gespräche mit weiblichen Role Models und Workshops.
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Die "National Science Foundation" (NSF) initiierte das Förderprogramm "ADVANCE Institutional Transformation Program". Ziel ist es, mehr Frauen im Wissenschaftsbetrieb zu verankern und den Einfluss von Interventionen zur Frauenförderungen in der Wissenschaft zu untersuchen. Viele US-Universitäten starteten daraufhin Initiativen zum Ausbau von Anstellungen, Beförderungen und Produktivität von Frauen in der Wissenschaft.
->   NSF ADVANCE
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Faktor 2: Schlechtes Campusklima
Laut der US-Forscher begründen viele Frauen ihren Austritt aus der Hochschule mit Anfeindungen durch Kollegen und ein frostiges Campusklima. Eine Wahrnehmung, die männliche Kollegen oft nicht teilt, beschreiben sie die Rahmenbedingungen für Kolleginnen häufig besser.

Doch viel verbreiteter sind laut Handelsman die subtilen Effekte von Diskriminierung, wie einem Ausschluss der Kolleginnen von Entscheidungsprozessen und Gespött.

Es gibt bereits erste campusweite Bildungsprogramme für Universitätsmitglieder, um Diskriminierung bei der Anstellung und Beförderung, sexuelle Belästigung und andere illegale Praktiken zu erkennen und einzudämmen.

Auf ideenreichem Weg: Die Universität von Michigan entwickelte ein interaktives Theaterprogramm, das typische Situationen im Akademiealltag porträtiert und mit akademischen Personal zu diskutieren.
Faktor 3: Unbewusste Vorurteile
Menschen, die sich als Verfechter des Egalitarismus sehen, können laut den US-Forscherinnen unbewusst diskriminieren. Als Gutachter die Schreibfähigkeit, Zeitschriftenartikel und Karrierewege evaluierten, vergaben sie im Durchschnitt niedrigere Noten, sobald ihnen gesagt wurde, dass der Beitrag von einer Frau stammt.

Unbewusste Vorurteile könnten laut Handelsman nur durch direkte Ansprache aufgehoben werden. Die Universität von Wisconsin-Madison startete Workshops, um Gutachter-Komitees in guter Evaluierung zu trainieren und auf unbewusste Voreingenommenheit hinzuweisen.

Das Georgia Institute of Technology entwickelte das Webbasiertes Computerinstrument ADEPT (Awareness of Decisions in Evaluating Promotion and Tenure), um Beförderungskomitees, Ordinate und Rektoren zu helfen, Geschlechtsbezogene Voreingenommenheit zu verhindern.
->   Awareness of Decisions in Evaluating Promotion and Tenure
Faktor 4: Balance-Akt Familie und Arbeit
Den Untersuchungen der US-Forscherinnen nach fällt die Verantwortung für die Familie (Kinder und Großeltern) nach wie vor überproportional in die Hände der Frauen.

Junge Frauen könnten nur ermutigt werden, in dem sie andere prominente Wissenschaftlerinnen, die Familie haben, treffen oder über sie lesen. Sie müssten auch über akademische Programme informiert werden, die sich mit der Konfliktvermeidung zwischen persönlichem und beruflichem Leben befassen. Eine weitere große Erleichterung seien Campus-Einrichtungen zum Kindersäugen und ihrer Betreuung.

[science.ORF.at, 24.8.05]
->   University of Wisconsin-Madison: ADVANCE Program
->   National Science Foundation (NSF)
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01.01.2010