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Grabanlage aus der Steinzeit entdeckt  
  Deutsche Archäologen haben in Sachsen-Anhalt einen Grabgarten und das erste schnurkeramische Vierfach-Familiengrab entdeckten. Der steinzeitliche Fund bietet Aufschlüsse über die dort begrabenen Familien.  
Die Grabanlage entdeckten der Archäologe Robert Ganslmeier und sein Team auf einem 4.400 Jahre alten Gräberfeld in Eulau bei Naumburg.

Laut des Grabungsleiters Ganslmeier stellt der Grabgarten eine weltweit völlig neue Bestattungsform in der steinzeitlichen Epoche der Schnurkeramik dar. Der Grabgarten bezeichnet ein System von vielen bis zu 80 Zentimeter tiefen Gräben.
->   Mehr zu den Schnurkeramikern bei Wikipedia
Erst vor wenigen Tagen kam das erste schnurkeramische Vierfach-Steinzeitgrab mit Mann, Frau und zwei Kindern in Eulau zum Vorschein. Nun legten die Archäologen weitere Vierfach-Familiengräber frei.
Zwei rechteckige Gräben
Das Grabensystem des Grabgartens besteht aus zwei ineinander geschachtelten rechteckigen Gräben. Der große Graben ist 25 Meter lang und 16 Meter breit, darin eingebettet ist ein kleinerer acht mal sechs Meter großer Graben.

"Innerhalb des kleineren Graben-Komplexes wurden zwei Männer, beide unter 30 Jahre, bestattet. Innerhalb des größeren Grabens lag eine noch unbekannte Einzelbestattung", berichtet Ganslmeier gegenüber der dpa.

Zudem wurden gleich neben dem Grabgarten in rechteckigen Erdgräbern zwei Kinder, beide unter zwölf Jahren, beigesetzt.
Zwei Kreisgräben
Die neben dem rechteckigen Grabgarten entdeckten zwei steinzeitlichen Familiengräber umgibt als Besonderheit jeweils ein Kreisgraben von sieben Metern Durchmesser.

In dem einen Familiengrab lag eine etwa 30 bis 35-jährige Frau mit ihren drei Kindern mit angezogenen Beinen auf der Seite liegend. Ein neugeborenes Mädchen lag vor der Brust der Mutter, ein zwei Jahre altes Mädchen und ein Junge im Alter von sechs bis acht Jahren hinter ihrem Rücken.

Untersuchungen ergeben, dass der Junge bereits als Mann angesehen wurde. "Das beweisen seine Grabbeigaben, eine Steinaxt, ein Knochenmeißel und zwei Feuersteinklingen", sagt Ganslmeier. Offenbar war das Familienoberhaupt schon gestorben, und der Bub hatte den Platz des Familienvaters eingenommen.

In dem anderen Familiengrab lag ein Vater mit seinen zwei Kindern. Anzeichen von Gewalteinwirkungen gab es laut Ganslmeier nicht. Als Todesursache vermuten die Experten eine Krankheit.
Strenger Grabritus
Die Schnurkeramiker befolgten einen strengen Grabritus. Ihre Toten bestatteten sie stets mit angezogenen Beinen, auf der Seite hockend.

Dabei lagen die weiblichen Personen immer mit dem Kopf nach Osten und die männlichen Toten mit dem Kopf nach Westen. Die Blickrichtung aller Toten der Schnurkeramiker war stets gegen Süden.

Der Archäologe schließt daraus, dass die Schnurkeramiker an ein Weiterleben nach dem Tod glaubten.
Zwölf Gräber in Summe
Insgesamt umfasst das steinzeitliche Gräberfeld in Eulau zwölf Gräber. Die Archäologen fanden zusätzlich 20 Abfallgruben mit schnurkeramischen Scherben. Auch Knochen von Schafen, Ziegen und Schweinen sowie mehrere Pfostenlöcher von Häusern gehörten zu den Funden.

Ganslmeier geht davon aus, dass der Platz an der Flussbiegung der Saale nicht nur Begräbnisstätte, sondern auch ein kleiner Siedlungsplatz für diese Schnurkeramiker, ein Hirtenvolk, war.

Etwa zehn Menschen hätten dort gelebt. Der Platz sei über mehrere Generationen genutzt worden.

Das Gräberfeld liegt nur zwei Kilometer vom steinzeitlichen Sonnenobservatorium in Goseck und etwa 23 Kilometer vom Fundort der 3.600 Jahre alten Himmelsscheibe von Nebra entfernt.

[science.ORF.at/APA/dpa, 23.8.05]
->   Landesmuseum für Vorgeschichte in Sachsen-Anhalt
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->   Archäologen finden 4.200 Jahre altes Hügelgrab (27.5.2005)
->   Ausstellung über mysteriöse Kreisgräben (6.5.2005)
 
 
 
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01.01.2010