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Alpbach: Wissenschaftlicher Rat in der Politik  
  Wissenschaftlicher Rat ist für die Politik von großer Bedeutung, doch nicht immer unproblematisch. Manchmal setzen sich die Experten auch erfolgreich über die Politik hinweg, so zu hören bei Gesprächen in Alpbach.  
Politiker sind gut beraten, sich wissenschaftlich beraten zu lassen. Dies sagte Frank Press, ehemaliger Berater des US-Präsidenten Jimmy Carter, am Samstag beim Europäischen Forum Alpbach. Gemeinsam mit Bjorn Lomborg, Politikwissenschaftler der dänischen Universität Aarhus, nahm er zur Beziehung von Politik und Wissenschaft Stellung.
Wissenschaft wichtige Komponente...
"Rund 50 Prozent der neuen Gesetzgebung der Vereinigten Staaten haben eine wissenschaftliche oder technologische Komponente", erklärte Press.

Beispiele sind die Klimaerwärmung oder Gentechnik. Bei wissenschaftlichen Ratschlägen gebe es aber auch Probleme, erklärte der Geophysiker von der Washington Advisory Group weiter.
... aber auch problematisch
So würden etwa auch die Wertsysteme der Wissenschaftler in ihre Empfehlung einfließen. Umso mehr, je höher der Grad der Unsicherheit ist.

Ein anderes Problem sei, dass auch Regierungsvertreter in wissenschaftlichen Gremien vertreten sind.
"Nicht die richtigen Experten"
Dies war etwa in Großbritannien der Fall: Ende der 80er-Jahre hatte ein Komitee erklärt, dass Rindfleisch sicher sei. Wenige Jahre später musste die britische Regierung zugeben, dass es bereits einige Todesfälle gegeben habe, die wahrscheinlich auf BSE zurückzuführen seien.

Laut Press war das Komitee sehr regierungsfreundlich zusammengesetzt. Es waren nicht die richtigen Experten vertreten, ihnen wurden nicht alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt. Und die Berater waren unter dem Druck, sehr schnell zu entscheiden.
Druck von Interessensgruppen
Das dritte Problem sei, dass Interessengruppen Druck auf Wissenschaftler ausüben würden. Press sieht hingegen manchmal kein Problem, wenn ein Politiker sich entgegen des wissenschaftlichen Rats entscheidet.

Der ehemalige US-Präsident Harry Truman etwa hatte von seinen Beratern gehört, er solle die Wasserstoffbombe nicht entwickeln lassen. Er wollte es trotzdem.

"Die Geschichte sagt uns, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat", sagte Press. Denn Dokumente belegen, dass Stalin ebenfalls eine solche Bombe entwickeln lassen wollte, egal was die USA getan hätten. "Die Welt wäre eine andere, wenn nur ein Land im Besitz einer solchen Waffe gewesen wäre", so Press.
Kosten-Nutzen entscheidend
Grundlagen für politische Entscheidungen seien aber auch Machbarkeit und Gerechtigkeit. Politiker müssten immer Prioritäten setzen, wie Bjorn Lomborg von der Universität Aarhus darlegte. Diese zeigen sich etwa in Budgets.

Lomborg stellte ein Projekt "Kopenhagen Konsensus" vor, bei dem Wissenschaftler eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Lösung aller globalen Probleme anstellten. Wirtschaftsexperten entwickelten eine Methode, mit der klar wurde, wie viel verschiedene Maßnahmen kosten und was sie erreichen können.
Bekämpfung von AIDS am wichtigsten
Daraus erfolgte eine klare Liste von Prioritäten: die Bekämpfung von AIDS sei vordringlich. Um 27 Milliarden Dollar (21,9 Mrd. Euro) könne man 28 Millionen neue Fälle bis 2010 vermeiden, sagte Lomborg.

Die Bekämpfung des Klimawandels rangierte demgegenüber auf dem vorletzten von zehn Plätzen. Die Mittel, die hier aufgewendet würden, hätten nur wenig Nutzen und Zukunftsperspektive, sagte Lomborg.
Experten mit Beharrlichkeit erfolgreich
Manchmal wiederum müssten sich aber Wissenschaftler über die Politik hinwegsetzen, wie Press anhand eines weiteren Beispiels erläuterte. AIDS etwa sei lange Zeit ignoriert worden. Die amerikanische Akademie der Wissenschaften wollte sich des Problems annehmen, wurde von Regierungsbeamten aber zurückgepfiffen. Die Forscher entwickelten dennoch eine Studie.

Diese hatte zur Folge, dass das Budget für die AIDS-Forschung verdreifacht und eine Aufklärungskampagne über die Übertragung der Immunschwächekrankheit gestartet wurden.

[science.ORF.at/APA, 29.8.05]
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->   Universität Aarhus
->   Weitere Berichte zu den Alpbacher Technologiegesprächen im science.ORF.at-Archiv:
 
 
 
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01.01.2010