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Kieferchirurgen loben Knochenersatz aus dem Meer  
  Ein aus Algen hergestelltes Knochenmaterial hat bisher schon mehreren tausend Patienten zu neuem Knochen verholfen, berichten österreichische Experten auf einem derzeit am Wiener AKH stattfindenden Kongress.  
Tissue Engineering ist längst ein wichtiges neues Gebiet in der Mund-, Kiefer-, und Gesichtschirurgie geworden.
Knochenzellen mit Aufbaumaterial vermengen
Besonders vielversprechende Resultate werden mit einem Naturprodukt aus dem Meer erzielt, erzählten die Teilnehmer des "Internationalen Kongresses der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (ICOMS)".

Osteoblasten, die Knochen bildenden Zellen des Körpers, können seit kurzem im Labor vermehrt werden. Solche Osteoblasten-Kulturen werden nun mit dem Knochenaufbaumaterial vermengt und dann zur Rekonstruktion von Knochen eingesetzt.
Ähnlichkeiten der Baupläne ausgenützt
Der Trick bei dieser Form des Knochenersatzes: Man nützt geschickt die Ähnlichkeiten der Baupläne aus, nach denen die Natur unterschiedliche Stützstrukturen konstruiert. Bestimmte Meeresalgen bauen ein Kalkgerüst auf, dessen mikroskopische Feinstruktur jener eines menschlichen Zahnes recht ähnlich ist.

In diesen feinen Kanälchen fühlen sich Osteoblasten, die Knochen bildenden Zellen des Körpers, wie zu Hause.
Knochenzellen füllen Ersatzmaterial aus
Sie wandern in das Ersatzmaterial, das nach Entfernung des Algen-Proteins aus dem Kalkgerüst der Pflanzen gewonnen wird, ein und bilden dort menschlichen Knochen. Dabei wird das Knochenaufbaumaterial vollständig durch Knochen ersetzt und auf diesem Weg innerhalb von zwei bis drei Jahren zu 95 Prozent abgebaut.
Nur minimale Belastung mit Umweltgiften
"Das besondere an diesem Material ist, dass es sich dabei um ein reines Naturprodukt handelt. Die Algen werden in sauberen Meeren gewonnen und sind daher nur minimal mit Umweltgiften belastet", berichtete am Mittwoch Rolf Ewers, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Präsident des Kongresses mit rund 1.400 Teilnehmern.
Vermengung bringt noch bessere Ergebnisse
Eine neue Entwicklung dürfte dem Algen-Material zu noch besseren Erfolgen verhelfen: Osteoblasten können seit kurzem im Labor vermehrt werden. Solche Osteoblasten-Kulturen werden nun mit dem Knochenaufbaumaterial vermengt und dann zur Rekonstruktion von Knochen eingesetzt.

In histologischen Vergleichsuntersuchungen konnte man zeigen, so Ewers, dass die Kombination von "AlgiPore" und der Osteoblastenkultur wesentlich mehr Knochen bildet, als dies allein durch das Knochenaufbaumaterial ohne die Osteoblasten-Kulturen möglich wäre.
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Algenmaterial als "Kletterwand"
Ewers und sein Team haben das Produkt ursprünglich in den achtziger Jahren an der Universität Kiel, in der Nähe der Nordsee, entwickelt. Der Experte: "Das Material wird jetzt seit zwanzig Jahren eingesetzt.

Es hat sich bewährt, weil es so porös ist und daher eine so große Oberfläche hat. Die Osteoblasten verhalten sich wie Kletterer. Sie suchen nach Strukturen, an denen sie sich anhalten können. Die Chemie ist da weniger wichtig als die Oberfläche."

Die Behandlungserfolge sind demnach beachtlich. Zysten und ähnliche Defekte sind am besten für diese Form der Therapie geeignet, weil das Material einfach in einen Hohlraum eingebracht werden und dort in Ruhe in Knochen umgewandelt werden kann.
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Gute Ergebnisse bei fehlendem Oberkiefer-Knochen
Ewers: "Sehr gut funktioniert die Technik bei Patienten, die zu wenig Knochen im Oberkiefer haben, weil ihnen schon zu lange die Zähen fehlen. Da kann man die Schleimhaut in der Kieferhöhle anheben und das Material einbringen.

Wir machen das hier in Wien seit 15 Jahren mit ausgezeichneten Ergebnissen. Ich selber habe an die 500 solcher Operationen durchgeführt und knapp 1.000 Implantate eingesetzt. Wir haben über 14 Jahre bei diesen Implantaten 5,4 Prozent Verluste. Das ist hervorragend und fast besser als natürlicher Knochen."

[science.ORF.at/APA, 31.8.05]
->   Weitere Informationen zum ICOMS-Kongress
 
 
 
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01.01.2010