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Forschungszentren nur mit Leiterinnen geplant  
  Dass das Geschlecht in der Wissenschaft eine Rolle spielt, ist offensichtlich. Männliche Wissenschaftler dominieren in den Führungsebenen und Professuren. Bei den Alpbacher Technologiegesprächen wurde nun ein neuer Lösungsansatz diskutiert: eigene Forschungszentren, die ausschließlich von Frauen geleitet werden.  
Die so genannten "Laura Bassi Forschungszentren" werden gerade von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums entwickelt und sollen Forscherinnen bessere Aufstiegschancen gewähren.

Im Vorfeld war das Interesse potentieller Leiterinnen eines zukünftigen Laura Bassi Zentrums groß: 57 Wissenschaftlerinnen meldeten sich bereits.
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Technologiegespräche Alpbach
Bei den Technologiegesprächen des Forums Alpbach vergangene Woche hieß ein Arbeitskreis "Wissenschaftliche Exzellenz - eine Frage des Geschlechts".
->   Forum Alpbach
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Gefahr einer "Institution zweiter Klasse"?
Dennoch ist das Projekt Forschungszentren für Frauen umstritten. Es besteht die Gefahr, dass Wissenschaftlerinnen völlig in "Frauenforschungszentren" abgedrängt werden könnten und die wenigen Professuren und Führungspositionen in herkömmlichen Forschungseinrichtungen, die bisher mit Frauen besetzt waren, zukünftig vollständig an Männer vergeben werden.

Dadurch könnten die "Frauenforschungszentren" zu Institutionen zweiter Klasse werden.

Sonja Sheikh von der KMU Forschung Austria bezeichnete derartige Forschungszentren als "diskriminierend", da sich Frauen nur dem Wettbewerb mit dem eigenen Geschlecht stellen würden.
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Ungleichheit der Geschlechter in Zahlen
In Österreich nimmt der Frauenanteil mit jeder Qualifikationsstufe sukzessive ab: So sind zwar 51 Prozent der Studienabsolventen weiblich, und 28 Prozent der Assistentenstellen sind mit Frauen besetzt, bei den Professuren sind sie jedoch nur noch mit neun Prozent vertreten.

Was Frauen in wissenschaftlichen Professuren betrifft, bildet Österreich das Schlusslicht in der EU. In Auswahlgremien, sowie in Aufsichtsräten, Vorständen und Beiräten liegt der Frauenanteil lediglich zwischen null und 9,8 Prozent.
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Förderungsmaßnahmen: Aber welche?
Darüber, dass eine Veränderung stattfinden muss, ist man sich in den österreichischen Forschungseinrichtungen mehr oder minder einig: Der "Waste of Talents" richte volkswirtschaftlichen Schaden an. Darüber wie diese Veränderung herbeigeführt werden soll, war man aber auch in Alpbach geteilter Meinung.

Eigene Frauenquoten etwa lehnen viele Frauen ab, weil sie ihnen demütigend erscheint. Auch die Effektivität von Gender Workshops ist fraglich, da sie nur von Interessierten frequentiert werden und jene, die man eigentlich sensibilisieren will, oft unerreicht bleiben.
Frauenanteil durch Frauenanteil steigern
Der oftmals geforderte finanzielle Anreiz, der Institute zur Einstellung von Frauen motivieren soll, birgt dieselben Nachteile wie die Frauenquote.

Als effizientestes Mittel zur Steigerung des Frauenanteils in der Forschung gilt letztendlich der Frauenanteil selbst. Soll heißen: Je mehr Frauen sich in Führungspositionen befinden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere Karriere machen.
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Mentoring in den USA erfolgreich
In den USA erweist sich Mentoring als wirksame Methode, um Geschlechterdiskriminierung entgegenzusteuern. Die Nachwuchsbetreuung ist dort fester Bestandteil der Evaluierung, sowie Grundvoraussetzung für die Mentoren, um fixe Anstellungen zu erlangen.
->   Mehr dazu: Gastbeitrag von Eva Schernhammer (24.8.05)
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Fehlende Netzwerke ...
In der Männerdomäne Industrie fällt es Frauen oft noch schwerer Fuß zu fassen und Kontakte zu knüpfen. Fehlende Netzwerkbindungen führen zu einer mangelnden Sichtbarkeit der Frauen und schaffen eine unzureichende Vertrauensbasis, was den beruflichen Aufstieg behindert.

Da die Führungsebene traditionell in männlichen Händen liegt, bewerben sich viele Wissenschaftlerinnen nicht für technische Führungspositionen, viele resignieren bereits im Vorfeld, schilderte Herbert Greisberger von ÖGUT.
... und Vorbilder
Harald Isemann vom Institut für Molekulare Pathologie in Wien verwies auf den Mangel an Rollenmodellen und Vorbilder für die Wissenschaftlerinnen.

Es herrsche auch nur eine geringe Auseinandersetzungsbereitschaft mit Gender Mainstreaming, so Isemann. Die vorrangige Auseinandersetzung finde durch Soziologen statt - anstatt durch Betroffene am eigenen Arbeitsplatz.
Hindernis Kinderbetreuung
Auch die Frage der Kinderbetreuung wurde thematisiert: Ihre Vereinbarkeit mit wissenschaftlicher Tätigkeit ist als solche zwar nicht gänzlich unmöglich, doch der Wiedereinstieg nach einer mehrjährigen Karenz gestaltet sich schwierig.

"Wenn man die Entscheidung trifft, zu Hause zu bleiben, muss man auch realistisch bleiben", beurteilte Eva Schernhammer von der Havard Medical School die Situation.

Viele Neuentwicklungen in den Fachbereichen würden die Fortführung der wissenschaftlichen Arbeit erschweren und man könne nicht erwarten, dort anzusetzen, wo man vor Jahren ausgestiegen sei.

Für die potenziellen Leiterinnen der Laura Bassi Zentren gilt dieses häufig benutzte Argument nicht mehr: Das Problem der Kinderbeaufsichtigung musste bereits zu einem früheren Zeitpunkt der wissenschaftlichen Karriere gelöst werden und kann dadurch nicht mehr als Hinderungsgrund für eine leitende Position gelten.

Birgit Wittstock, 1.9.05
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Birgit Wittstock ist Studentin der FH für Journalismus in Wien und war ORF-Stipendiatin der Technologiegespräche beim Forum Alpbach 2005.
->   FH Jorrnalismus Wien
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->   Mehr über Laura Bassi Forschungszentren (ÖGUT)
Weitere Berichte über die Arbeitskreise in Alpbach 2005:
->   Standortwahl: Innovationen im globalen Wettbewerb (31.8.05)
->   Experten für Zurückhaltung bei Nano-Hype (30.8.05)
->   Oft im Zwist: Wissenschaft und Medien (29.8.05)
 
 
 
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01.01.2010