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Neuer Mechanismus für Stammzellteilung entdeckt  
  Forscher am Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) können einen bisher unbekannten Mechanismus beschreiben, der asymmetrische Zellteilungen und Stammzelldifferenzierung kontrolliert.  
Nach wie vor sind zahlreiche therapeutische Hoffnungen mit dem Einsatz von Stammzellen verknüpft. Sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten medizinischen und pharmazeutischen Forschung bemühen sich daher Experten, möglichst viele Aspekte dieses ganz besonderen Zelltyps zu verstehen.
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Die Arbeitsgruppe um Jürgen Knoblich am IMBA, dem Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, stellt die jüngsten Ergebnisse in der kommenden Ausgabe des Wissenschaftsjournals Cell vor (Erscheinungsdatum 9.9., online Publikation am 1.9.).
->   Cell
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Spezialisierte und weitere Stammzelle entsteht
Ein zentrales Ereignis im Lebenszyklus von Stammzellen ist die "asymmetrische Zellteilung". Dieser Vorgang führt dazu, dass aus der Stammzelle zwei unterschiedliche Tochterzellen hervorgehen: eine spezialisierte (=differenzierte) und eine weitere Stammzelle (=proliferierende Zelle), die sich unbegrenzt teilen kann.

Die differenzierte Zelle erfüllt in der Folge bestimmte Aufgaben, etwa innerhalb eines Organs. Die Stammzelle liefert weiterhin Nachschub für neue Zellen und verändert sich dabei praktisch nicht.
Neuen Weg der assymetrischen Teilung entdeckt
Diesen Ablauf in seiner subtilen Balance zu verstehen, ist das Anliegen von Jürgen Knoblich. Bisher hatten er und seine Mitarbeiter sich auf einen bereits länger bekannten Mechanismus konzentriert, hieß am Donnerstagabend in einer Aussendung. Dabei werden bestimmte Proteine innerhalb der Zelle verlagert, bevor diese sich zu teilen beginnt.

Die einseitige Verteilung von Zellinhaltsstoffen hat zur Folge, dass die beiden Tochterzellen unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Dieser Vorgang der asymmetrischen Teilung ist im Detail charakterisiert und verstanden. In den vergangenen Jahren häuften sich jedoch Hinweise, dass es daneben noch einen anderen Weg geben muss, der ungleiche Tochterzellen aus Stammzellen entstehen lässt.
Von der Fruchtfliege auf den Menschen
Das IMBA-Team untersucht asymmetrische Zellteilung im Nervensystem von Fruchtfliegen. Die Forschungsergebnisse lassen sich meist auf den Menschen übertragen, denn die molekularen Mechanismen sind im Lauf der Evolution fast unverändert beibehalten worden.

Eine neue Methode erlaubt es den Forschern seit kurzem, den Zellen bei der Teilung direkt zuzusehen. Die "live imaging" Technologie nutzt fluoreszierende Proteine, mit denen Zellen im intakten Organismus markiert und an einem konfokalen Mikroskop in Echtzeit betrachtet werden können.

Unter Einsatz dieser innovativen Technologie konnten die Forscher nun einen bisher unvermuteten Mechanismus beobachten, der Zellen zur asymmetrischen Teilung befähigt. Bei diesem Vorgang kommt es zu einer grundlegenden Umstellung des Zellstoffwechsels mit weit reichenden Folgen.
Tochterzelle stellt Recycling-Apparat ab
Normalerweise reagieren Zellen auf Signale aus ihrer Umgebung mittels Rezeptoren, die an der Oberfläche verankert sind. Diese Rezeptormoleküle werden, nach Empfang eines Signals, im Inneren der Zelle umgebaut und nach einem Recyclingprozess wieder an die Zelloberfläche zurückgeschleust.

Der neu entdeckte Mechanismus ist dadurch charakterisiert, dass eine der beiden Tochterzellen diesen Recyclingapparat vorübergehend abstellt und die beteiligten Moleküle abbaut - also "Müllverbrennung statt Recycling".
Informationen zur Entstehung von Krebs
Vorerst sind die beschriebenen Vorgänge im Nervensystem der Fliege beobachtet worden. Asymmetrische Zellteilungen sind auch beim Menschen nachgewiesen. Man hat sie in der Haut, im Muskel- und Nervengewebe und im Auge beobachtet. Ob der neu entdeckte Mechanismus ebenfalls im menschlichen Körper abläuft, wollen die Forscher nun herausfinden.

Asymmetrische Zellteilungen spielen u.a. bei der Tumorentstehung eine Rolle. Von der genauen Kenntnis der molekularen Abläufe erhoffen sich die Wissenschaftler daher nicht nur neue Aufschlüsse über die Teilung und Entwicklung von Stammzellen, sondern auch über die Entstehung von Krebs.

[science.ORF.at/APA, 2.9.05]
->   Website der Forschungsgruppe von Jürgen Knoblich am IMBA
->   Mehr über Stammzellen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010