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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
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Oft versteckt: Wissenschaft in Konsumgütern  
  Jeder nutzt sie: Waschmittel, Lebensmittel, Kosmetik - alles Produkte des täglichen Gebrauchs. Wenige ahnen jedoch, welcher Aufwand an Forschung dahintersteckt. Experten unterschiedlicher Fachrichtungen lieferten beim Forum Alpbach Einblicke in die moderne Produktentwicklung. Auch Konsumgüter, die uns so einfach erscheinen, werden ihnen zufolge laufend analysiert und optimiert.  
Die industrielle oder "weiße" Biotechnologie ist dabei eine der Schlüsseltechnologien des neuen Jahrtausends und vor allem die rohstoffarmen europäischen Industrieländer versuchen so, ihren Wohlstand zu sichern.
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Technologiegespräche Alpbach
Bei den Technologiegesprächen des Forums Alpbach vergangene Woche widmete sich ein Arbeitskreis der "Wissenschaft in Produkten des täglichen Gebrauchs".
->   Forum Alpbach
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Viel Aufwand bei "low-interest-Produkten"
"Forschung im Bereich von Alltagsgütern beginnt bei den Wünschen der Verbraucher", so Thomas Müller-Kirschbaum, Leiter der Produktionsabteilung eines deutschen Waschmittelkonzerns.

Die Vermutung, es ist ohnehin überall fast das Gleiche enthalten, sei ein Vorurteil. Diese gelte besonders für Produkte, die ganz unten in der Maslowschen Bedürfnispyramide stehen und lediglich der Grundversorgung dienen.

Waschmittel werden demnach immer "low-interest-Produkte" bleiben und kaum Prestigewerte anbieten können, weshalb die Preisspanne immer relativ eng bleibt. Trotzdem werde versucht, Produkte ständig an die sich ändernden Lebensbedürfnisse anzupassen.
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Maslowsche Bedürfnispyramide
Die Maslowsche Bedürfnispyramide ist ein vom US-Psychologen Abraham Maslow entwickeltes Modell, um Motivationen von Menschen zu beschreiben. Die menschlichen Bedürfnisse bilden die "Stufen" einer Pyramide und bauen gemäß dieser Theorie aufeinander auf. Der Mensch versucht demnach, zuerst die Bedürfnisse der niedrigen Stufen zu befriedigen, bevor die nächsten Stufen Bedeutung erlangen.
->   Mehr dazu bei Wikipedia
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Neues Waschen ...
Einer der ältesten Recyclingprozesse der Welt - der Prozess der Textilreinigung - wurde im Wettlauf um die Gunst der Verbraucher stark optimiert. Moderne Waschmittel müssen heute anderen Anforderungen genügen als noch vor zwanzig Jahren: Waschen soll schnell gehen, bei niedrigen Temperaturen und die Wäsche schonen, bei möglichst lang anhaltender Frische.

Dafür ist deutlich mehr intelligente Chemie notwendig, außerdem spielen Nachhaltigkeit und Umweltschutz eine wachsende Rolle.

Die anspruchsvollste Technologie wird in Europa verwendet: Nur hier gibt es die schonenden Horizontalwaschmaschinen und der Wasserverbrauch ist am geringsten.
... erfordert intelligente Chemie
Innovative Technologien in der Waschmittelindustrie verwenden unterschiedlichste Forschungsergebnisse: So ermöglicht der "Mehrphaseneffekt" eine weitere Reduktion verschiedener Reinigungsmittel. Nanotechnologie wird für intelligente Oberflächenmodifikation verwendet.

Vor allem werden vermehrt verbesserte Enzyme in Reinigungsprodukten eingesetzt. Waschmittelenzyme zerlegen eiweiß- und stärkehaltigen Schmutz in kleinere lösliche Einheiten, die vom Wasser abtransportiert werden können. Schon geringe Mengen sorgen für hocheffiziente Fleckenentfernung.
Essen: Naturbegegnung des Städters
Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet für "Technik im Supermarkt" ist der Lebensmittel- und Agrarsektor. Peter Ruckenbauer, Leiter des Interuniversitären Forschungsinstituts für Agrarbiotechnologie der Universität für Bodenkultur (IFA-Tulln), erklärte anhand einiger Beispiele, wie neue technologische Entwicklungen in enger Kooperation mit der Wirtschaft zunehmend in unseren Alltag vordringen.

Im Gegensatz zu früheren Jahren stehe heute die Nahrungsmittelqualität und -sicherheit im Vordergrund, weniger die Ertragssteigerung. Die öffentliche Sensibilität habe in diesem Bereich besonders zugenommen, da Essen für den urbanen Menschen die einzige tägliche Begegnung mit der Natur ist.
Resistenz-Gene und Allergen-Tests
So ist Schadstofffreiheit bei allen Getreideprodukten das oberste Gebot. Besonders gefährliche Schimmelpilzarten mit gesundheitsschädlicher Wirkung bedrohen die europäische Weizenproduktion, eine Folge von Großkulturen und einseitigen Fruchtfolgen.

Am IFA wurde mit Hilfe moderner Analysemethoden ein neues wirksames Resistenz-Gen im Weizengenom identifiziert und den Züchtern zur Verfügung gestellt.

Von wachsendem Interesse ist auch der Bereich Mikroanalytik: Das IFA entwickelte unter anderem exakte Schnelltests, welche geringste Allergenspuren in Lebensmittel innerhalb von fünf Minuten nachweisen können. Grund dafür waren die steigenden Allergieraten in Europa.
Ist das wirklich nötig?
Die Liste wissenschaftlicher Neuerungen in der Produktion von Alltagsgütern ist lang, da die Erfüllung unserer Grundbedürfnisse immer höheren Ansprüchen genügen soll. Biotechnologische Innovationen formen unser Leben vermutlich bereits ähnlich wie herkömmliche Technik, auch wenn viele dieser Entwicklungen weit gehend unbemerkt passieren.

Offen bleibt, inwieweit verfügbare Technologien angewendet werden sollen oder welche Bedürfnisse dadurch erst erzeugt werden.

Abschließend standen in Alpbach deshalb ethische Fragen im Spannungsfeld zwischen Möglichkeit und Machbarkeit zur Diskussion - welche wohl nie oder nur im Dialog mit Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern beantwortet werden können.

Eva Obermüller, 2.9.05
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Eva Obermüller ist Teilnehmerin des Universitätslehrgangs für Wissenschaftskommunikation "scimedia" und war ORF-Stipendiatin der Technologiegespräche beim Forum Alpbach 2005.
->   scimedia
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->   IFA-Tulln
Weitere Berichte über die Arbeitskreise in Alpbach 2005:
->   Geplant: Forschungszentren nur mit Leiterinnen (1.9.05)
->   Standortwahl: Innovationen im globalen Wettbewerb (31.8.05)
->   Experten für Zurückhaltung bei Nano-Hype (30.8.05)
->   Oft im Zwist: Wissenschaft und Medien (29.8.05)
 
 
 
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01.01.2010