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Warum das Gedächtnis im Alter nachlässt  
  Dass die Gedächtnisleitung mit dem Alter eher ab- als zunimmt, ist ein wohl bekanntes Phänomen. US-Forscher haben nun einen weiteren Puzzlestein gefunden, der erklärt, warum das so ist. Ältere Menschen haben offenbar Schwierigkeiten, ablenkende Sinneseindrücke auszublenden.  
Verantwortlich dafür könnten altersbedingte Störungen des Frontallappens sein, wie ein Team um Adam Gazzaley von der University of California in Berkeley vermutet.
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Die Studie "Top-down suppression deficit underlies working memory impairment in normal aging" von Adam Gazzaley et al. erschien am 11. September 2005 auf der Website des Fachjournals "Nature Neuroscience" (doi:10.1038/nn1543).
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Wenn das Gedächtnis ein Päuschen einlegt
"Wie war das noch gleich? Wo liegt der Haustorschlüssel? Den habe ich doch soeben ..." Wer kennt sie nicht, die Situationen, bei denen man ziemlich planlos durch die Wohnung irrt und am liebsten das eigene Kurzzeitgedächtnis verwünschen möchte.

Das Dumme daran: Solche Situationen werden bei den meisten Lesern in Zukunft häufiger stattfinden, denn die Gedächtnisleistung nimmt mit dem Alter tendenziell ab. Die gute Nachricht: Man weiß jetzt zumindest, warum das so ist.
Ablenkung und Aufmerksamkeit
Ein Forscherteam um Adam Gazzaley fand heraus, dass das mit der Unfähigkeit zu tun hat, belanglose Informationen zu filtern - und nicht etwa mit einer gestörten Aufmerksamkeit. Das klingt zwar so, als wären das zwei Arten, ein und dasselbe auszudrücken, doch aus Sicht des Gehirns sind unterdrückte Ablenkung und erhöhte Aufmerksamkeit offenbar unterschiedliche Dinge.

Wie die Forscher vor kurzem berichteten, kann man diese beiden Aspekte mittels funktioneller Kernspinresonanztomographie, kurz: fMRI, unterscheiden (Journal of Cognitive Neuroscience 17, S. 507).

Diese Methode wendeten Gazzaley und seine Mitarbeiter nun an, um etwaige Unterschiede zwischen jungen (19-30 Jahre) und älteren Personen (60-77 Jahre) sichtbar zu machen.
Gedächtnistest mit Bildern
 
Bild: Gazzaley et al./Nature Neuroscience

Dabei legten sie den Testpersonen eine Reihe von Bildern vor und wiesen sie an, entweder nur die dargestellten Gesichter in Erinnerung zu behalten und die Naturszenen zu ignorieren - oder genau umgekehrt zu verfahren (Bild oben). Danach wurde die Merkfähigkeit der Probanden getestet und ihre Gehirnaktivität mittels fMRI aufgezeichnet.
Senioren blenden wenig aus
Junge Probanden zeigten bei der Erinnerung an Gesichter eine erhöhte Erregung in bestimmten Bereichen der Großhirnrinde (Teile des Gyrus parahippocampalis und lingualis), die offenbar die Aufmerksamkeit dafür steuern. Gleichzeitig wurden jene Areale, die mit der Verarbeitung von Naturbildern befasst sind, inaktiviert. Das Ergebnis fiel - wie erwartet - vice versa aus, wenn die Naturszenen Ziel des Gedächtnistrainings gewesen waren.

Bei den älteren Testpersonen zeigten sich keine Unterschiede in den jeweils erregten Arealen, die Inaktivierung blieb hingegen vielfach aus. Nur eine kleine Fraktion der Seniorengruppe zeigte diese Reaktion - und das waren just jene, die auch bei den Gedächtnistests viel besser als ihre Altersgenossen abgeschnitten hatten.
Zwei Probleme, eine Ursache
Mark D'Esposito, Co-Autor der Studie, sieht dahinter einen Mechanismus von globaler Bedeutung. Gedächtnisprobleme und verminderte Aufmerksamkeit von älteren Menschen seien vielfach auf die selbe Ursache zurückzuführen - nämlich die Unfähigkeit, nebensächliche Informationen auszublenden.
Frontallappen verantwortlich?
Adam Gazzaley vermutet, dass dafür der so genannte Frontallappen verantwortlich ist, der Informationen aus allen Bereichen des Gehirns zusammenführt und kontrolliert. Aus bisherigen Studien weiß man, dass besonders diese Hirnregion von Alterungsprozessen betroffen ist.

Das eröffne auch neue Möglichkeiten für Therapien, so Gazzaley: "Altern ist keine Krankheit. Aber wenn es Probleme mit dem Frontallappen gibt, dann kann man sie vermutlich mit Medikamenten in den Griff bekommen."

[science.ORF.at, 12.9.05]
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01.01.2010