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Kinder verfügen über natürliches Zahlenverständnis  
  Auch wenn Kinder noch keinen Mathematik-Unterricht hatten und mit abstrakten Zahlen nichts anzufangen wissen, weisen sie doch ein natürliches Verständnis für Mengen auf. Das haben US-amerikanische Psychologen bei Versuchen mit fünfjährigen Vorschulkindern herausgefunden. Das intuitive Wissen sollte stärker in den Schulunterricht einfließen, empfehlen sie.  
Laut Studie verfügen Kinder nicht nur über ein natürliches Verständnis für Zahlen, sondern sogar für den Vorgang der Addition. Auch die Menge an Tönen konnten sie richtig einschätzen. Erst bei der Abstrahierung der Rechenvorgänge durch Zahlensymbole scheiterten die mathematisch noch völlig ungebildeten Versuchspersonen.
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Die Studie "Abstract number and arithmetic in preschool children" von Hilary Barth und Kollegen erscheint zwischen 12. und 16. September 2005 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (DOI:10.1073/pnas.0505512102).
->   Zum Original-Artikel (erst nach Erscheinen online)
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Vier Experimente
Um das mathematische Verständnis zu ergründen, führten die Forscher von der Universität Harvard in Boston insgesamt vier Experimente mit den Kindern durch:
Test 1: Zahl blauer und roter Punkte vergleichen
 
Bild PNAS

Im ersten Test (siehe oben) bekamen die jungen Probanden eine Gruppe blauer Punkte zu sehen, die dann von einem Balken verdeckt wurden. Unmittelbar darauf erschien ein rotes Punktemeer. Die Kinder sollten dann die Frage beantworten, ob sie mehr blaue oder mehr rote Punkte gesehen haben.
Test 2: Blaue Punkte wurden addiert
 
Bild: PNAS

Im zweiten Test (siehe oben) wurde der erste Versuch etwas verfeinert: Nicht nur wurde eine Gruppe blauer Punkte überdeckt, es wurden auch noch einige Pünktchen hinzugefügt. Wiederum sollten die Kinder sagen, ob sie - inklusive der "addierten" blauen Tupfen - mehr blaue oder rote Punkte gesehen hatten.
Test 3: Statt Punkte Töne zählen
 
Bild: PNAS

Im nächsten Schritt wollten die Psychologen testen, ob die Kinder auch über die Sinne hinweg ein mathematisches Verständnis aufweisen. Dazu zeigten sie den Vorschulkindern wiederum eine Ansammlung blauer Punkte, danach wurden die roten Tupfen als einzelne Töne vorgespielt. Die kleinen Probanden sollten sagen, welche Farbe in der Mehrheit war.
Test 4: "Blaue Töne" wurden hinzugefügt
 
Bild: PNAS

Danach wurde ein ähnlicher Versuch mit einer Addition blauer Punkte durchgeführt (siehe oben).
Kinder hatten keine Probleme mit Aufgaben
Unglaublich, aber wahr: Keine der Aufgaben stellte für die Kinder ein großes Problem dar. Sowohl der visuelle als auch der akustische Vergleich fiel ihnen leicht, die überwiegende Mehrheit gab die richtige Antwort. Zufall ist deshalb jedenfalls ausgeschlossen.
Scheitern begann bei abstrakten, hohen Zahlen
Die jungen Probanden scheiterten erst, als die Forscher von der Universität Harvard mit abstrakten, relativ großen Zahlen zu arbeiten begannen. Den Unterschied zwischen 33 und 50 Stück bestimmter Objekte konnten sie nicht mehr verstehen, dazu war die Menge zu groß.

Kinder verfügen demnach offenbar über ein mathematisches Verständnis, allerdings nur dann, wenn es sich nicht um riesige, abstrakte Zahlen handelt. Mit wenigen Objekten, die - visuell oder akustisch - wahrgenommen werden können, kommen sie allerdings problemlos zurecht.
Konzept "Zahl" und Addition vor Unterricht bekannt
"Die Kinder kennen das Konzept 'Zahl' und das Prinzip der Addition schon vor dem ersten Mathematik-Unterricht", schlussfolgern die Psychologen. Die Herausforderung für Schulbuchautoren und Lehrer liege darin, die natürliche Intuition bestmöglich zu nutzen.

[science.ORF.at, 13.9.05]
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01.01.2010