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Genetische Ursachen der Schuppenflechte entdeckt  
  Weltweit leiden 125 Millionen Personen an der Schuppenflechte, in Österreich sind es rund 250.000. Wiener Forscher haben nun durch Versuche an Mäusen jene Gene entdeckt, die maßgeblich an der Entstehung der Hautkrankheit beteiligt sind.  
Wie eine Arbeitsgruppe um Erwin Wagner vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien gemeinsam mit Fachleuten von der Universitäts-Hautklinik am Wiener AKH herausfand, handelt es sich bei der Schuppenflechte ("Psoriasis") um eine Hauterkrankung mit Auswirkungen auf das Immunsystem der Patienten, nicht umgekehrt - wie bisher oft angenommen.
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Die Studie "Psoriasis-like skin disease and arthritis caused by inducible epidermal deletion of Jun proteins" von Rainer Zenz et al. erschien im Fachjournal "Nature" (Band 437, S. 369-75; doi:10.1038/nature03963).
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JunB-Proteine in betroffenen Geweben kaum vorhanden
Die Psoriasis ist eine häufige chronische und entzündliche Erkrankung von Haut und - bei 20 Prozent der Betroffenen - auch der Gelenke. Wie der Erstautor der Studie, Rainer Zenz vom IMP, betont, galt Psoriasis oft als Autoimmunkrankheit - also zunächst als ein Defekt des Immunsystems, der sich an Haut und eventuell den Gelenken äußert.

Dass das offenbar nicht so ist, zeigten die aktuellen Versuche. "Bei der Arbeit geht es um das JunB-Gen, das man aus der Krebsforschung kennt. In Hautarealen, die von Psoriasis betroffen sind, sind die JunB-Proteine herunter reguliert (kaum vorhanden, Anm.). In anderen Hautarealen nicht", so Zenz gegenüber der APA.
->   Schuppenflechte - Wkipedia
Problem: Gen-Knockout ist tödlich
Bild: Nature
"Nature"-Cover mit Hautquerschnitt
Das JunB-Gen befindet sich beim Menschen - wie sich herausstellte - in jener Gen-Region, in der man schon seit längerer Zeit die "Veranlagung" für die Psoriasis vermutete (PSORS6).

Dies gilt auch für die an der Schuppenflechte beteiligten Hautzellen, die Keratinozyten. Das Problem beim Studium dieser Vorgänge an Mäusen: Schaltet man bei den Säugern JunB aus, kommen die Jungen bereits tot zur Welt.

Doch die Mausgenetiker am Wiener IMP griffen zu einem Trick: Sie wendeten eine Methode an, mit der sie ganz gezielt die Gene JunB und c-Jun erst im Alter von acht Wochen ausschalten können. Dadurch treten die sonst fatalen Schäden in der Embryonalentwicklung nicht auf.
JunB-Blockade im Jugendalter löst Psoriasis aus
Zenz: "Tut man das, treten bei den Tieren binnen zwei Wochen Hautveränderungen auf, welche histologisch (Gewebeproben, Anm.) und molekular an die Psoriasis des Menschen erinnern.

Das gilt auch für die bei 20 Prozent der Patienten auftretenden Psoriasis-Arthritis-Fälle (chronische Gelenksentzündungen ähnlicher der chronischen Polyarthritis, Anm.)." Der Vorteil liegt in dem jederzeit aktivierbaren Gen-Knock-out bei den Mäusen.

Der Wiener Wissenschaftler: "Wir sind sicher, dass wir mit unserem Modell ein ausgezeichnetes Werkzeug für die präklinische Forschung geschaffen haben. Es wird sich außerordentlich nützlich für zukünftige Studien erweisen, die dem Verständnis und der Heilung dieser verbreiteten Krankheit dienen."
Lehrbuchmeinung widerlegt
Während bei den Mäusen JunB und c-Jun an "ihrer" Psoriasis beteiligt sind, ist beim Menschen offenbar JunB der wichtige Faktor.

Die Wiener Forscher dürften mit ihrer Arbeit aber auch die Lehrbuchmeinung widerlegt haben, wonach die Psoriasis in erster Linie eine Autoimmunerkrankung ist, die auf einer Deregulierung von T- und B-Zellen beruht.

Zenz: "Schalten wir JunB und c-Jun bei Mäusen aus, die keine B- und keine T-Zellen haben, bekommen sie trotzdem partiell die Psoriasis."
Neue Behandlungsformen möglich
Das könnte Auswirkungen auf die Entwicklung zukünftiger Therapien gegen die Schuppenflechte haben. Bisher wurde sie in schweren Fällen oft mit Cortison, Zytostatika oder Biotech-Medikamenten behandelt.

Der Nachteil daran: Diese Medikamente unterdrücken zum Teil die gesamten Immunreaktionen. Über die neuen Erkenntnisse könnte man vielleicht näher an die eigentliche Ursache in den Hautzellen gelangen.

Eine Möglichkeit wäre etwa, die gedrosselte Produktion der JunB-Proteine auf genetischem Weg wieder anzukurbeln. Das wurde bereits mit blutbildenden Zellen durchgeführt, wie Studienleiter Erwin Wagner gegenüber dem ORF betont: "Mit Hautzellen haben wir das noch nicht gemacht, aber das ist eine grundsätzliche Idee."

Ein anderer Ansatzpunkt könnten die Proteine S100A8 und S100A9 sein: Sie werden in Hautzellen noch vor dem Auftreten der Erkrankung vermehrt gebildet und locken so Entzündungs-fördernde Immunzellen an.

[science.ORF.at/APA, 15.9.05]
->   IMP Wien
->   Universitätsklinik für Dermatologie, AKH Wien
->   Das Stichwort Schuppenflechte im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010