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Dem "Nano-Radio" einen Schritt näher  
  Kleine Magneten mit nur 100 Nanometer Durchmesser können so manipuliert werden, dass sie permanent ihre Pole verändern und dabei Mikrowellenstrahlen aussenden. US-Physiker haben nun herausgefunden, dass sich solche Magneten unter bestimmten Bedingungen spontan synchronisieren, was ihre Sendeleistung vervielfacht. Das nährt die Hoffnung, dass dereinst ein Radio im Nanoformat entstehen könnte.  
Das berichten zwei Forschergruppen um Shehzaad Kaka, National Institue of Standards and Technology, und Fred B. Mancoff, Freescale Semiconductor Inc., aus den USA.
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Zu diesem Thema erschienen im Fachournal "Nature" (Band 437, Ausgabe vom 15.9.05) zwei Studien: "Mutual phase-locking of microwave spin torque nano-oscillators" von Shehzaad Kaka et al. (S. 389-392; doi: 10.1038/nature04035) und "Phase-locking in double-point-contact spin-transfer devices" von F. B. Mancoff et al. (S. 393-395; doi: 10.1038/nature04036).
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Konzert der Leuchtkäfer
Wer jemals in Asien oder Südamerika nächtens durch die tropischen Wälder gewandert ist, kennt das Phänomen. In der Dunkelheit führen die Glühwürmchen mit ihren Lichtsignalen ein beeindruckendes Schauspiel auf, bei dem die Konturen ganzer Bäume in Festbeleuchtung erstrahlen.

Das Besondere daran: Die Leuchtkäfer blinken nicht ungeordnet, sondern streng synchronisiert. Gerade so, als wären sie an eine gemeinsame Steuerungseinheit angeschlossen.

Freilich sind sie das nicht: Das rhythmische Leuchten der Insekten wird durch einen organischen Oszillator im Gehirn der Tiere gesteuert, der sich offenbar selbständig mit den Signalen der Artgenossen synchronisiert.
Muskelzellen: Alle für einen
Etwas ganz Ähnliches passiert auch täglich in unserem Körper: Im rechten Vorhof des menschlichen Herzen gibt es eine Gruppe von Schrittmacherzellen, besser bekannt als Sinusknoten, die ihre Erregung auf die restlichen Herzmuskelzellen übertragen.

Das führt bekanntlich zu einer Kontraktion des gesamten Herzens, und dieser geordnete Rhythmus wird das gesamte Leben aufrecht erhalten - typischer Weise für 3 Milliarden Schläge.
Synchronisierung in der Nanowelt
Spontane Ordnungsbildung und Synchronisierung sind jedoch nicht auf die belebte Natur beschränkt. Zwei Forschergruppen aus den USA haben nun gezeigt, dass ähnliche Phänomene auch bei Nanomagneten auftreten können.

Die Teams um Shehzaad Kaka, National Institue of Standards and Technology, und Fred B. Mancoff, Freescale Semiconductor Inc., machten sich dabei eine Eigenschaft von Elementarteilchen zunutze, die man bereits in der erste Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckt hat: den so genannten Spin.
->   Spin - Wikipedia
Spin und Drehmoment
Anschaulich kann man sich den Spin als Drehimpuls vorstellen, aber der Vergleich hinkt etwas, denn er ist, wie die Physiker sagen, "gequantelt". Das heißt, er kann nicht - wie etwa ein Fußball - beliebige, sondern nur ganz- oder halbzahlige Werte annehmen. Welche von den beiden Möglichkeiten zutrifft, hängt vom jeweiligen Teilchentyp ab.

Fest steht jedenfalls, dass sich mit dem Spin auch das Drehmoment ändert, was im Englischen als "spin-torque effect" bezeichnet wird.

Das wurde in Grundzügen bereits von Albert Einstein und Wander de Haas erkannt, die 1915 vorschlugen, mit diesem Effekt das Drehmoment von Photonen zu bestimmen. (Einstein behielt, wie so oft, recht. Da Experiment wurde 20 Jahre später vom Physiker Richrad Beth erfolgreich durchgeführt).
Oszillierende Nanomagneten strahlen
Der Spin weist aber noch eine andere Besonderheit auf: Er tritt nämlich mit magnetischen Feldern in Wechselwirkung - eine Eigenschaft, auf der etwa die Funktionsweise von Kernspintomografen beruht.

Das ist auch der Punkt, an dem die Experimente der Teams um Shehzaad Kaka und Fred B. Mancoff ansetzten. Die US-Physiker verwendeten rund 100 Nanometer große (bzw. kleine) Magneten, die mit einem elektrischen Kontaktpunkt versehen waren.

Legten die Forscher an diesem Punkt eine Spannung an, dann bewirkte der Spin der Elektronen im Material, dass sich die magnetischen Pole ständig neu ausrichteten.

Dabei gaben die Nanomagneten auch Mikrowellen ab, allerdings mit einer sehr geringen Leistung von weniger als einem Nanowatt. Fachleute nennen so etwas einen "spin torque nano oscillator", bzw. kurz "STNO".
Magneten addieren Strahlungsleistung
Um eine stärkere Strahlungsquelle herzustellen, ließen die Forscher zwei solche Mini-Oszillatoren parallel laufen. Die Grundidee dahinter: Die STNOs sollten sich durch die ausgesandten Mikrowellen gegenseitig beeinflussen und ihre Schwingungen synchronisieren.

Das war auch der Fall: Ab einer Distanz von 200 Nanometern begannen die Magneten spontan im Gleichtakt zu schwingen. Die dabei ausgesendete Strahlung war dementsprechend doppelt so hoch wie bei einem einzelnen STNO.
Nano-Radio als Vision
Wie Pritiraj Mohanty vo der Boston University ausführt, könnte dieses Prinzip in Zukunft für die kabellose Kommunikation verwendet werden - und zwar sowohl für Sender als auch für Empfänger.

Die Leistung einzelner STNOs sei zwar viel zu gering für ein solches Vorhaben, so Mohanty, bei Verwendung vieler Nanomagneten könne man jedoch bald den Bereich von Mikro- oder gar Milliwatt erreichen.

Die Zeitschrift "Nature" hat für diese Möglichkeit durchaus plakative Worte gefunden: Die beiden Studien führten zur "Vision eines Radios in Bakteriengröße", so die Redakteure des Journals.

Robert Czepel, science.ORF.at, 16.9.05
 
 
 
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01.01.2010