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Frosch-Pilz: Verbreitung durch Schwangerschaftstest?  
  Der Befall durch einen tödlichen Pilz bedroht weltweit die Gruppe der Amphibien. Australische Forscher stellen nun eine neue Theorie zur Diskussion, wie sich der Pilz von Afrika in die ganze Welt verbreiten konnte: Eine spezielle Froschart, der der Parasit nichts anhaben konnte, wurde in den 1930er und 1940er Jahren weltweit für Schwangerschaftstest exportiert.  
Bevor die chemischen Schwangerschaftstests entwickelt wurden, benutzte man gern den Krallenfrosch Xenopus laevis: Der Urin einer Frau wurden den weiblichen Tieren unter die Haut gespritzt. Erwartete die Frau tatsächlich ein Kind, wurde der Organismus des Frosch-Weibchen durch das Schwangerschaftshormon im Urin zur Ovulation angeregt.

Die vom Pilz befallenen Tiere könnten in ihren Exportländern entwischt sein, wodurch die Erkrankung in fremde Ökosysteme eindringen konnte, behaupten Reinhold Mueller und Rick Speare von der Universität Townsville.
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Die These von der Pilzverbreitung unter Fröschen wird aktuell bei einem Kongress von Amphibien-Forschern in Washington diskutiert. Ihre Theorie veröffentlichten Reinhold Mueller, Rick Speare und Kollegen schon im Dezember 2004 im Journal "Emerging Infectious Diseases" (Band 10, S. 2100-2105).
->   Zum Original-Paper (Volltext)
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Pilz soll an mysteriösem Amphibiensterben schuld sein
Chytridiomykose heißt die Krankheit, die durch einen Pilz mit einem nicht weniger komplizierten Namen ausgelöst wird: Batrachochytrium dendrobatidis.

Dieser Pilz gilt - neben Umweltverschmutzung und dem Verschwinden der natürlichen Lebensräume - als der gefährlichste Feind von Amphibien: Er soll am mysteriösen Froschsterben in den Regenwäldern Australiens und Panamas ebenso schuld sein wie an der schwindenden Amphibienpopulation in Ecuador, Venezuela, Neuseeland und Spanien.
->   Weltweites mysteriöses Sterben von Amphibien (14.10.04)
Übeltäter aus Afrika?
Woher aber kommt der gefährliche Pilz? Der Epidemiologe Reinhold Mueller und der Veterinärmediziner Rick Speare behaupten in ihrer Theorie, dass der Übeltäter aus Afrika stammt.

Eine Analyse von mehreren Krallenfrosch-Exemplaren in südafrikanischen Museen zeigte, dass Batrachochytrium dendrobatidis bereits einen 1938 konservierten Frosch befallen hatte und in Afrika offenbar weit verbreitet war.
Afrikanische Frösche resistent gegen Parasit
Im Unterschied zur schädlichen Wirkung auf anderen Kontinenten konnte der Pilz den afrikanischen Fröschen aber nichts anhaben: Durch die gemeinsame Evolution hatte Xenopus laevis eine Resistenz gegen den Parasiten entwickelt.

Zum Problem wurde der Pilz erst, als er in andere Ökosysteme eindrang, deren Amphibien keine natürliche Resistenz aufwiesen. Bei ihnen löst er Chytridiomykose aus.
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Chytridiomykose
Der Pilz dringt in die obere Hautschicht der Amphibien ein und ernährt sich von dem dort befindlichen Keratin. Die Haut beginnt sich daraufhin zu röten und langsam abzulösen. Die betroffenen Tiere zeigen sich zuerst stark geschwächt und lethargisch, letztlich führt die Erkrankung zum Tod.
->   Mehr über Amphibienkrankheiten
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Frösche für Schwangerschaftstest verwendet
Wie aber kamen die südafrikanischen Frösche in die ganze Welt? Mueller und Speare weisen darauf hin, dass die Krallenfrösche wegen ihrer unproblematischen Haltung gerne für einen speziellen medizinischen Nachweis verwendet wurden: den Schwangerschaftstest.

Als es noch keine chemische Möglichkeit gab, die "anderen Umstände" nachzuweisen, wurde den weiblichen Fröschen der Urin einer Frau unter die Haut gespritzt. Begannen sie, Eier zu bilden, galt das als Nachweis einer Schwangerschaft.

Das "humane Chorion-Gonadotropin" (HCG), das menschliche Schwangerschaftshormon schlechthin, habe den Zyklus der Frösche angeregt, lautete damals die Erklärung.
Krallenfrösche wurden in großen Mengen exportiert
Riesige Mengen an Fröschen wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschickt: Allein aus Südafrika, von wo es zuverlässige Aufzeichnungen gibt, gingen Ende der 1940er Jahre knapp 4.000 Tiere jährlich in die ganze Welt, schreiben Mueller und Speare in ihrer Publikation.

Auch nach der Entwicklung chemischer Schwangerschaftstests wurden die Krallenfrösche als Versuchstiere weiter gehandelt: Diesmal wurden an ihrem Beispiel verschiedene Stadien der embryonalen Entwicklung untersucht.
->   Mehr über die Rolle des Xenopus laevis in der Forschung
Tiere bzw. Wasser in fremde Ökosysteme eingedrungen
Mueller und Speare gehen davon aus, dass entweder Tiere aus den Labors geflüchtet oder auch mit dem Hautpilz verunreinigtes Wasser in das Ökosystem der Exportländer eingedrungen sein könnte - und damit das Unheil seinen Lauf nahm.

Wie die BBC berichtet, stellt die Diskussion über Batrachochytrium dendrobatidis einen Hauptpunkt beim derzeit laufenden Amphibien-Kongress in Washington dar.
Immunmechanismus der südafrikanischen Frösche klären
Angesichts eines Berichts, nach dem weltweit rund 1.800 Amphibien-Arten vor der Auslöschung stehen, wollen die Forscher zwar Bedrohungen wie Umweltverschmutzung und die Zerstörung natürlicher Lebensräume nicht aus den Augen verlieren.

Den Immunmechanismus der südafrikanischen Frösche auf ihre Verwandten weltweit zu übertragen, wäre aber ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf gegen das Froschsterben.

[science.ORF.at, 20.9.05]
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01.01.2010