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Ameisen pflanzen "Teufelsgärten" im Regenwald  
  Schon seit längerem sind Ökologen von den so genannten Teufelsgärten im Regenwald Amazoniens fasziniert. In diesen Landstrichen überleben keinerlei Pflanzen, einzige Ausnahme: Die Baumart Duroia hirsuta gedeiht dort offensichtlich prächtig. US-Biologen haben nun herausgefunden, dass dafür Ameisen verantwortlich sind.  
Wie ein Team um Megan E. Frederickson von der Stanford University berichtet, stellt der Baum der Ameisenart Myrmelachista schumanni Wohnhöhlen zur Verfügung. Dafür revanchieren sich die Insekten, indem sie sämtliche pflanzlichen Konkurrenten mit einem natürlichen Herbizid vergiften: Ameisensäure.
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Die Studie "'Devil's gardens' bedevilled by ants" von Megan E. Frederickson et al. erschien im Fachjournal "Nature" (Band 437, S.495-6).
->   Nature
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Inseln der Eintönigkeit
 
Bild: Nature

Der Regenwald Amazoniens ist eines der artenreichsten Ökosysteme überhaupt. Auf einem Hektar finden sich bis zu 400 verschiedene Baumarten sowie ein Vielfaches davon an Farnen, Lianen, Orchideen und anderen pflanzlichen Lebensformen.

Nur in manchen Bereichen herrscht grüne Eintönigkeit (Bild oben, Vordergrund). Dort wächst nämlich nur ein baumartiges Gewächs namens Duroia hirsuta - und sonst nichts. Warum? Lokale Legenden besagen etwa, dass diese so genannten Teufelsgärten von einem bösen Waldgeist angelegt wurden.
Chemische Kriegsführung unter Pflanzen?
Forscher vermuteten hingegen, dass Duroia hirsuta mittels chemischer Kriegsführung das Wachstum anderer Pflanzenarten hemmt.

Diese "Allelopathie" genannte Strategie, sich durch Abgabe von Hemmstoffen einen Vorteil im Konkurrenzkampf um Licht und Boden zu verschaffen, ist im Pflanzenreich durchaus verbreitet: Nussbäume, Ahörner und Pappeln tun es etwa, warum also sollte nicht auch D. hirsuta dazu imstande sein?
->   Allelopathie - Wikipedia
Mutualismus zwischen Baum und Ameise
Falsch, meinen Forscher um Megan E. Frederickson von der Stanford University, die nun den wahren Urheber der mysteriösen Teufelsgärten entdeckt haben.

Die Spur zur richtigen Antwort führte über eigenartig angeschwollene, hohle Strukturen in den Stämmen von D. hirsuta, in denen die Ameisenart Myrmelachista schumanni lebt.

Frederickson und ihr Team vermuteten, dass die Ameisen irgendwie dafür verantwortlich sind, dass in gewissen Landstrichen statt der sonst üblichen reichhaltigen Pflanzengesellschaften regelrechte Monokulturen wachsen.

Für die Insekten würde das jedenfalls Sinn machen, denn ihre bis zu 800 Jahre überdauernden Kolonien hausen ausschließlich in den Hohlräumen der Pflanzen, die man dementsprechend auch als "Domatien" - nach dem griechischen Wort für "Häuschen" - bezeichnet.
->   Ameisenpflanzen - Wikipedia
Experiment: Tiere als Gärtner
 
Bild: Nature

Den Beweis für ihre Hypothese erbrachten die US-Forscher durch ein einfaches Experiment: Sie pflanzten inner- und außerhalb von Teufelsgärten junge Exemplare des im Amazonaswald verbreiteten Zedrachgewächses Cedrela odorata und warteten die Reaktion der Ameisen ab.

Diese reagierten umgehend mit einer Attacke der Jungpflanzen in ihrem Lebensraum und injizierten ein körpereigenes Gift - Ameisensäure - in deren Blätter. Das führte innerhalb von 24 Stunden zur Nekrose, großflächigem Absterben von Pflanzengewebe (Bild oben). Setzlinge, die außerhalb der Teufelsgärten gepflanzt worden waren, blieben hingegen völlig unbehelligt.
Ameisen unterscheiden Pflanzenarten
In einem zweiten Versuch zeigten Frederickson und Kollegen, dass die Ameisen offenbar Pflanzenarten unterschieden können und sich nicht etwa an vorhandenen Hohlräumen orientieren.

Setzlinge von D. hirsuta und C. odorata wurden jeweils mit und ohne Domatien in den Teufelsgärten angesiedelt - und wieder waren es ausschließlich letztere, die von den Insekten vergiftet wurden. Den Symbiosepartnern wurde selbst dann kein Haar (bzw. Blatt) gekrümmt, wenn sie keinerlei Hohlräume aufwiesen.
800 Jahre ohne Konkurrenz
Das zeige, so die US-Biologen in ihrer Studie, dass die Ameisen ihre ökologische Nische offenbar aktiv gestalten. Aus Sicht der Pflanzen ist das Ganze freilich auch ein lohnendes Geschäft. Die Insekten halten ihnen sämtliche Konkurrenten vom Leib, und das durchaus dauerhaft: Wie die Untersuchungen ergaben, besteht der größte der untersuchten Teufelsgärten schon seit mehr als 800 Jahren.

Robert Czepel, science.ORF.at, 22.9.05
->   Stanford University Department of Biological Sciences
 
 
 
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01.01.2010