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Säugetiere: Evolutionärer Aufschwung durch Sauerstoff  
  Der große Aufschwung der Säugetiere kam kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier. So logisch dieser Zusammenhang scheint - man würde annehmen, dass mehr Lebensraum, Nahrung und weniger Feinde zum Erfolg der Säuger geführt hätte -, so sehr führt er laut einer aktuellen Studie in die Irre: Denn nicht die Dezimierung der Reptilien, sondern der Anstieg der Sauerstoffkonzentration in der Luft habe den Säugetieren einen evolutionären Schub gegeben.  
Diese These stellt ein Team an Meereswissenschaftlern und Geologen rund um Paul Falkowski von der Rutgers University in New Jersey auf. Durch die Analyse von Gesteinsproben konnten sie eine Zunahme des Sauerstoffs in der Luft just in jenem Zeitraum nachweisen, als die Säugetiere zu ihrem Triumphzug aufbrachen.

Der Erfolg hänge mit der Fortpflanzung zusammen, so die Forscher: Der Nachwuchs von Säugetieren kann sich dann gut entwickeln, wenn die Sauerstoffversorgung über die Nabelschnur optimal funktioniert.
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Die Studie "The Rise of Oxygen over the Past 205 Million Years and the Evolution of Large Placental Mammals" von Paul Falkowski und Kollegen ist am 30. September 2005 in "Science" erschienen (Band 309, S. 2202-2204, DOI: 10.1126/science.1116047).
->   Science
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Frühe Säugetiere waren klein und zart
Das Mesozoikum gilt als "Zeitalter der Reptilien": Vor rund 251 Millionen bis 65,5 Millionen Jahren dominierten die Dinosaurier und eine ganze Reihe anderer Reptilien auf der Erde. Auch die ersten Säugetiere (Mammalia) entwickelten sich in dieser Periode, allerdings waren sie sowohl zahlenmäßig als auch von der Körpergröße und Kraft her den Dinosauriern deutlich unterlegen.

Am Ende des Mesozoikums starben die Dinosaurier aus und für die Säugetiere brach das "goldene Zeitalter" an.
->   Mehr über das Mesozoikum bei Wikipedia.de
Nicht neue Lebensräume und ökologische Nischen ...
Wissenschaftler sprachen in diesem Zusammenhang bisher von einem typischen Beispiel für eine "adaptive Radiation", so der Fachbegriff: Die rasche Ausbreitung der neuen Arten konnte deshalb erfolgen, weil neue Lebensräume zur Verfügung standen bzw. ökologische Nischen gebildet wurden.
... sondern Anstieg der Sauerstoffkonzentration wichtig
Die Forscher um Paul Falkowski widersprechen dieser These nun insofern, als sie einen anderen Faktor als Grund für die rasche Verbreitung und auch die Größenzunahme der Säugetiere ausmachen:

Ein plötzlicher Anstieg der Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre habe den Mammalia den Schub gegeben. Der Auslöser dafür war wiederum ein durch einen Klimawandel verursachtes stärkeres Pflanzenwachstum.
Nachweis durch Gesteinsanalyse
Belegen können die Wissenschaftler ihre These durch Gesteinsanalysen: In Meeresgestein, das die Erdgeschichte bis 251 Millionen Jahre zurück "eingeschlossen" hat, ließ sich vor rund 50 Millionen Jahren ein Anstieg von "Kohlenstoff-13" nachweisen.

"Dieses Nebenprodukt der Photosynthese lässt genaue Schätzungen zu, mit wie viel Sauerstoff die Atmosphäre angereichert war", erklärt Studienleiter Paul Falkowski in einer Presseaussendung der Rutgers Universität.
Gehalt stieg von zehn auf 17, dann auf 23 Prozent
Laut Analyse der Forscher um Falkowski stieg der Sauerstoffgehalt in der Luft von zehn Prozent zu Zeiten der Dinosaurier auf 17 Prozent vor 50 Millionen Jahren und schließlich 23 Prozent vor 40 Millionen Jahren.
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Sauerstoffgehalt heute
Heute beträgt der Sauerstoffgehalt in der Luft rund 21 Prozent. Forscher gehen davon aus, dass große Feuer vor zehn Millionen Jahren weite Waldflächen vernichtet hätten und dadurch die O2-Sättigung leicht gesunken wäre.
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Versorgung des Nachwuchs durch Sauerstoff
Säuger brauchen drei bis sechs mal so viel O2 als Reptilien. Das hänge in erster Linie mit ihrer Fortpflanzung zusammen:

Um eine störungsfreie Entwicklung des Nachwuchs zu ermöglichen, muss genügend Sauerstoff im Blutkreislauf der Mutter sein, was wiederum bei einer hohen O2-Sättigung der Umgebung leichter möglich ist.
Mehr Sauerstoff, bessere Versorgung der Muskeln
Aber auch die Zunahme an Größe korreliere mit der Luftzusammensetzung, so die Wissenschaftler: Mit steigender Sauerstoffkonzentration könnten auch große Muskeln besser versorgt werden.

Die Beweglichkeit blieb deshalb auch bei größeren Tieren erhalten, Wachstum stellte keinen evolutionären Nachteil dar. Säugetiere wie riesige Faultiere und große Säbelzahnkatzen entstanden.
Anstieg der Temperaturen nur Nebenfaktor
Falkowski und Kollegen gestehen in ihrer Studie zwar zu, dass Umweltfaktoren wie ein Anstieg der globalen Temperaturen und eine Ausdehnung der subtropischen und tropischen Regionen ebenfalls eine Rolle bei der Verbreitung der Säugetiere gespielt haben könnten.

Als grundlegenden Faktor betrachten sie aber die Sauerstoffsättigung, die die Evolution der Säugetiere und damit letztlich auch des Menschen beflügelt habe.

[science.ORF.at, 30.9.05]
->   Rutgers University
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01.01.2010