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Fische als "Kontrolleure" der Bestäubung  
  Ein US-amerikanisches Forscherteam hat herausgefunden, dass Süßwasserfische die Reproduktion von Pflanzen maßgeblich beeinflussen. Die Fische fressen nämlich die in Gewässern lebenden Libellenlarven und kontrollieren somit die Anzahl der erwachsenen Libellen. Letztere sind wiederum die Hauptfeinde von Bienen, Schmetterlingen und anderen bestäubenden Insekten.  
Nur an den Ufern von fischreichen Gewässern, so die Studienautoren, werden die Blüten mit genügend Pollen versorgt und können deshalb reichlich Früchte produzieren.

Diesen erstaunlichen Zusammenhang, der über die Grenzen von Wasser- und Land-Ökosystemen reicht, haben fünf Biologen von der University of Florida und der Washington University in St. Louis entdeckt und dokumentiert.
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Die Studie "Trophic cascades across ecosystems" erschien im Fachjournal "Nature" (Band 437, S. 880-883; doi: 10.1038/nature03962).
->   Zur Studie
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Wassertier formt Uferflora
Die Veröffentlichung basiert auf einer Feldstudie, die von 2003 bis 2005 in einem Schutzgebiet ("Katherine Ordway Preserve") der University of Florida durchgeführt wurde.

Die Forscher untersuchten das Leben im Wasser und am Ufer von acht Teichen - vier davon mit Fischbesatz und vier ohne die schuppigen Kaltblüter. Die Vegetation sowie der Lichteinfall waren für alle acht Teiche sehr ähnlich.

Die Wissenschaftler erhoben das Verhältnis von Libellenlarven und erwachsenen Libellen, außerdem zählten sie die fleißigen Bestäuber (v.a. Furchenbienen, Eulenfalter, Schwebfliegen) rund um die Gewässer.

Dabei nahmen die Forscher sowohl bei Wasser- als auch Vogelökologen Anleihen. Durch diese Bestandsaufnahmen wollten die Forscher herausfinden, welchen Effekt Fische und räuberische Libellen auf ihre Umwelt haben.
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Schillernde Räuber mit tollkühnen Flugmanövern
Libellen ernähren sich u. a. von Mücken, anderen Libellen, Schmetterlingen oder Bienen. Von deren Stacheln lassen sie sich nicht abschrecken, daher werden sie im Englischen auch als "bee butcher" ("Bienen-Schlächter") bezeichnet. Libellen können jeden ihrer vier Flügel einzeln bewegen und gehören zu den wendigsten Fliegern im Tierreich. Sie erreichen Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 58 km/h und sind damit die schnellsten Fluginsekten. Bei der Suche nach Nahrung entgeht ihren Facettenaugen (bestehend aus tausenden Einzelaugen) kaum ein Beutetier.
->   Mehr zu Libellen - Wikipedia
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Fischen bestimmten Zahl der Bestäuber
Die Auswertungen des Forschteams ergaben, dass Pflanzen in der Nähe von fischreichen Gewässern öfter von Bestäubern (vor allem von Bienen) besucht werden.

Die am häufigsten an den Ufern blühende Pflanze war das Johanniskraut: Seine Büsche wurden in der Nähe der fischreichen Gewässer jeweils über vier Mal innerhalb von 20 Minuten besucht. Ähnliche Ergebnisse erbrachten Zählungen der Blütenbesuche am Pfeilkraut.
Ein Netz von Wirkungen
Bild: Tiffany M. Knight et al./Nature
Ohne Fische bot sich ein ganz anderes Bild: Die Pflanzen waren nur halb so gut mit Pollen versorgt und wurden hauptsächlich von Schwebfliegen (einem vermutlich uneffizienten Bestäuber) besucht - und das weniger als ein Mal pro 20 Minuten.

Auch lebten vor allem mittelgroße bis große Libellen in der Nähe der "fischfreien" Zonen - während die kleineren (und potentiell weniger gefährlichen) Arten vor allem in den fischreichen Tümpeln gesichtet wurden.

Bild rechts: Weil sich Fische an Libellenlarven laben, entwickeln sich weniger erwachsene, stark räuberische Libellen. Dies kommt den Bestäubern (Bienen, Fliegen, Falter) der ufernahen Gewächse zugute: In der Nähe von fischreichen Gewässern sind die Blüten besser mit Pollen versorgt. Fische beeinflussen die Verbreitung von Libellenlarven direkt, von allen anderen Organimen indirekt. (direkte Effekte: durchgezogene Linien; indirekte Effekte: gestrichtelte Linien).
Ähnliche Effekte in großem Maßstab?
Studienautor Robert Holt, Zoologe an der University of Florida, hat in der aktuellen Studie die Größe der Fischbestände nicht experimentell beeinflusst, deswegen sei es ihm nicht möglich, die Größenordnung dieses an einigen Tümpeln beobachteten Effekts festzulegen.

Fest steht jedoch, dass Organismen die Verbreitung anderer Arten durch trophische Kaskaden ("Nahrungsketten") drastisch beeinflussen können.

Zoologe Holt weist darauf hin, dass menschliche Aktivitäten oft zur Folge hätten, dass Fischbestände stark ansteigen (künstliche Ansiedelung, Überdüngung von Gewässern) oder stark zurückgehen (Artensterben durch Lebensraumzerstörung).

Die Veränderungen könnten - wie in der aktuellen Studie die Grenzen von Ökosystemen überschreiten und nicht nur die Unterwasserwelt, sondern auch die Vegetation an den Ufern durch veränderte Bestäubungsraten nachhaltig verändern.

Julia Harlfinger, science.ORF.at, 6.10.05
->   Bestäubung - Wikipedia
->   Department of Zoology, University of Florida
->   Department of Biology, Washington University in St. Louis
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Blumen locken Käfer mit "Blüten-Sauna" (20.11.03)
->   Libellen verwenden die "Motion Camouflage" (4.4.03)
->   Blütenpollen: Faszinierender Mikrokosmos (23.01.02)
 
 
 
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01.01.2010