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Buch: Juden in Niederösterreich vor 400 Jahren  
  Haus an Haus mit christlichen Nachbarn lebten viele Juden in Niederösterreich vor gut 400 Jahren. Ein neues Buch behandelt ihre Geschichte und Alltag in 53 Gemeinden in der frühen Neuzeit.  
"Gantze Dörffer voll Juden. Juden in Niederösterreich 1496-1670/71" erschien im Mandelbaum-Verlag und wurde Montagabend im Jüdischen Museum Wien präsentiert.
170 Jahre "relativer Frieden"
1496 und 1670 sind zwei Jahreszahlen, die für die Vertreibung von Juden stehen: 1496 aus Steiermark und Kärnten, 1670/71 aus Wien und Niederösterreich.

Die Jahre der großen Vertreibungen geben den Rahmen vor für das Buch "Gantze Dörffer voll Juden" zur Geschichte der Juden in Niederösterreich. Autorin Barbara Staudinger vom St. Pöltner "Institut für Geschichte der Juden in Österreich" beschreibt im ORF-Radio die Jahre zwischen den beiden großen Vertreibungswellen:

"Es sind 170 Jahre relativen Friedens. Es gab zwar Vertreibungen, besonders im 16. Jahrhundert, allerdings haben damals nicht alle Juden Niederösterreich verlassen. Einzelne Gemeinden wurden aufgelöst, aber prinzipiell konnten Juden in Niederösterreich bleiben."
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Das Buch
"Gantze Dörffer voll Juden. Juden in Niederösterreich 1496-1670/71. Geschichte der Juden in Niederösterreich von den Anfängen bis 1945. Band 2." Mandelbaum-Verlag. 385 Seiten.

Das Buch ist als Band 2 der Reihe "Geschichte der Juden in Niederösterreich" erschienen. Bereits erschienen ist Band 4 der Reihe: "Der letzte Jude hat den Tempel verlassen. Juden in Niederösterreich 1938-1945", von Christoph Lind.
->   Mehr über Band 4 (18.11.04)
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Von Antisemitismus bis Zusammenleben
Der jüdisch-christliche Alltag in der frühen Neuzeit stellt sich in den Quellen als Alltag "zwischen Kooperation und Konkurrenz" dar (Vorwort des Buches), zwischen sozialen Kontakten und Konflikten, zwischen "friedlicher Koexistenz und Judenfeindschaft".

53 Gemeinden - von Achau und Bad Deutsch-Altenburg über Hollabrunn und Mautern bis Zistersdorf und Zwölfaxing - beschreibt Barbara Staudinger ausführlich in ihrem neuen Buch.
Geringe Siedlungsdichte erschwert religiöses Leben
Teilweise waren die jüdischen Gemeinden im Land unter der Enns in der Frühen Neuzeit sehr klein, schildert Barbara Staudinger auf Radio Österreich 1: "50 Gemeinden hatten zehn erwachsene Männer, sodass sie einen Gottesdienst abhalten konnten. Viele andere Gemeinden aber waren zu klein und mussten improvisieren, um ein religiöses Leben führen zu können."

Als Beispiel nennt Barbara Staudinger ein Mauthaus in Wilfersdorf im 17. Jahrhundert: "Ein Mauthaus steht nicht unbedingt in einem großen Ort. Vorbeikommende Juden werden gefragt, ob sie nicht bleiben wollen, damit man gemeinsam einen Feiertag begehen kann - so wird gesichert, dass ein Jude, der allein wohnt, religiös leben kann."
1670: Vertreibung für viele Jahrzehnte
Vor 1670 lebten in Niederösterreich 2.000 Jüdinnen und Juden. Doch dann ließ Kaiser Leopold II. alle Juden aus dem Erzherzogtum Österreich unter der Enns vertreiben.

1671 verließen die letzten Juden aus Wien und Niederösterreich das Land Richtung Ungarn, Böhmen oder Mähren. Erst viele Jahre später kehrten Juden nach Niederösterreich zurück (nach dem Toleranzpatent von Joseph II).

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft, 11.10.05
->   Institut für Geschichte der Juden in Österreich
->   Mandelbaum Verlag
 
 
 
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01.01.2010