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Rolemodel für pflanzliche Symbiose entdeckt  
  Japanische Forscher haben einen rätselhaften Meeresbewohner entdeckt: einen Mikroorganismus, der zum Teil wie eine Pflanze und zum Teil wie ein "Raubtier" lebt. Der Einzeller könnte ein Modell dafür sein, wie vor Jahrmillionen Lebewesen Symbiosen eingegangen sind, die noch heute höchst erfolgreich funktionieren.  
Von dem Prozess der "Live-Symbiose" berichten die beiden Biologen Noriko Okamoto und Isao Inouye von der Universität Tsukuba/Ibaraki in "Science".
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Der Artikel "A Secondary Symbiosis in Progress?" ist in "Science" (Bd. 310., S. 287; Ausgabe vom 14. Oktober 2005) erschienen.
->   Science
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Zusammenleben zum gegenseitigen Vorteil
Endosymbiose ist in der Natur weit verbreitet: Mikroorganismen leben zum gegenseitigen Vorteil im Körper größerer Lebewesen, meistens aus Gründen der Ernährung.

Im Verdauungstrakt z.B. zahlreicher Insekten befinden sich symbiontische Mikroorganismen, welche die ansonsten unverdauliche Nahrung aufbereiten. Im Darm von Termiten leben winzige Geißeltierchen, die Holz für ihre Wirte verdauen.
Entstehung von Zellorganellen
Evolutionär viel früher setzt die so genannte Endosymbiontentheorie an, die vor 100 Jahren zum ersten Mal formuliert wurde. Ihr zufolge sind einzellige Organismen vor Urzeiten von Eukaryoten - Zellen mit echtem Zellkern - einverleibt worden.

Im Laufe des evolutionären Prozesses hat sich eine gegenseitige Abhängigkeit entwickelt, bis die Einzeller schließlich lebensnotwendige Bestandteile ihrer Wirte wurden - in Form von Zellorganellen, die winzigen Organe der Zellen.

Unter anderem, so die weithin akzeptierte Theorie, seien auf diese Weise die Mitochondrien entstanden, die als Kraftwerke der Zellen gelten und für die Sauerstoffzufuhr sorgen, und die Chloroplasten, die für die Photosynthese zuständig sind.
->   Endosymbiontentheorie (Uni Hamburg)
Hatena - die Rätselhafte - in flagranti erwischt
Den japanischen Forschern Okamoto und Inouye ist es nun gelungen, diesen Prozess der ursprünglichen Symbiose erstmals "live" nachzuvollziehen.

Ein bisher unbekanntes Geißeltierchen, das an japanischen Stränden gefunden wurde, konnte dabei beobachtet werden, wie es eine grüne, photosynthetisierende Alge (Nephroselmis) verschluckt.

Das Lebewesen verhielt sich so außergewöhnlich, dass dies auch gleich für seinen Namen herhalten musste: "Hatena" wurde es getauft, japanisch für "rätselhaft".
Zwei Phasen: Einmal grün, einmal farblos
 
Bild: Science

Hatena gehört zu den Katablepharidophyta und wechselt zwischen zwei Phasen: einer pflanzlichen Phase, in der sich die winzige Alge in ihrem Körper aufhält, langsam größer wird und für die Energieversorgung zuständig ist, sowie einer farblosen Phase, in der es sich wie ein Räuber verhält.

Der Phasenwechsel tritt mit der Zellteilung ein. Wie in dem Bild oben rechts zu sehen, entstehen dabei eine farblose und eine grüne Tochterzelle - der photosynthetisierende Symbiont wird also nur einmal vererbt (schwarzer Strich: zehn Mikrometer).
Ist die Alge gefressen, wird Hatena friedlich
Bild: Science
Lebenszyklus von Hatena
Die farblose Zelle entwickelt im Gegensatz zu ihrem grünen Pendant einen Arm und einen Fressmechanismus, mit dem es danach trachtet, sich wieder eine Alge einzuverleiben. Sobald Hatena dieses Ziel erreicht hat, färbt sie sich grün, und die Fresswerkzeuge verschwinden.

Okamoto und Inouye vermuten, dass die beiden Kleinstlebewesen gerade dabei sind, sich zu einem einzigen Organismus zu entwickeln.

Offenbar sind die grünen Haustierchen am besten Wege, zu echten Zellbestandteilen - Chloroplasten - zu werden: ein Vorgang, wie er sich vor Jahrmillionen bei vielen anderen Pflanzen und Algen abgespielt hat.

[science.ORF.at, 14.10.05]
->   Universität Tsukuba
 
 
 
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01.01.2010