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Plötzlicher sozialer Aufstieg macht Männchen fruchtbar  
  Die Gesetze der Natur sind streng: Das stärkste Männchen hat das Recht, für den Nachwuchs zu sorgen - so etwa bei den Afrikanischen Buntbarschen. Wer der Stärkere ist, entscheidet sich im Kampf. Der Überlegene demonstriert seine Dominanz am bunten Farbenkleid. Doch kommt er plötzlich abhanden, so übernimmt das untergeordnete Männchen in Minuten das Feld: Plötzlicher sozialer Aufstieg löst sofort eine genetische Reaktion aus, belegen Studien von US-Neurobiologen.  
Sobald das eigentlich unterlegene Männchen den Verlust des dominanten bemerkt, reagiert es innerhalb von Minuten. Es verändert die Körperfarben, wird aggressiver und ist damit der neue Herr in der Buntbarsch-Damenrunde. Denn: Nur die Stärksten produzieren befruchtungsfähige Samenzellen.

Laut den Wissenschaftlern Sabrina S. Burmeister und Russell D. Fernald der Stanford University sowie Erich D. Jarvis der Duke University ist damit das erste Mal ein direkter Beweis erbracht, dass die bloße Veränderung des sozialen Standes auch zellulare und molekulare Veränderungen im Gehirn auslöst.
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Der Artikel "Rapid Behavioral and Genomic Responses to Social Opportunity" erschien in der Zeitschrift "PLoS Biology" (Band 3, Ausgabe 11, 18. Oktober 2005, DOI: 10.1371/journal.pbio.0030363).
->   Artikel
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Strenge Hierarchie in Farbe
Der Astatotilapia (Haplochromis) burtoni ist eine von 100 Buntbarscharten, die die Frischwasserseen in Ostafrika bewohnen.

Die dominanten Männchen heben sich von den schwachen ab: Sie beeindrucken mit einem auffälligem Blau oder Gelb sowie einem prominenten schwarzen Streifen, der über das Gesicht gezogen ist. Die im Kampf unterlegenen Männchen müssen sich mit einem ausdruckslosen Grau geschlagen geben.

 
Bild: Russell D. Fernald und Sabrina S. Burmeister

Zwei dominante männliche Astatotilapia burtoni an ihren territorialen Grenzen - bereit zur Verteidigung ihrer Brutstätten
Up-Grading im Experiment
Die US-Forscher simulierten nun im Experiment das Up-Grading eines unterlegenen Buntbarschmännchens: Aus einem Tank mit einem dominantem und einem schwachem Männchen sowie mehreren Weibchen entfernten sie den farbenprächtigen Hausherrn der Gruppe.

Anschließend beobachten die Forscher das Verhalten des untergeordneten Männchens auf Anzeichen zur Dominanz. Zudem wurde die Gen-Aktivierung im Gehirn gemessen, die für physiologische Veränderungen verantwortlich sind.

Schon nach ein paar Minuten veränderte sich die Körperfarbe des zurückgebliebenen Männchens - hin zur strahlenden Farbenpracht. Laut Fernald kurbelte das Männchen zudem gewisse Gen-Aktivitäten an, die ihn wiederum zur Reproduktion befähigen.
Keimdrüsen erhalten chemisches Signal
Schon frühere Studien des Forschertrios belegten: Eine bloße Veränderung des sozialen Status kann bereits eine Veränderungen bei einer Gruppe von Gehirnzellen auslösen, die das Freisetzungshormon Gonadotropin produzieren.

Damit werden chemische Signale vom Gehirn zu den Keimdrüsen (Gonaden) geschickt, die die sexuelle Entwicklung regulieren.
Den Untersuchungen der Forscher nach werden bei der Wandlung hin zum dominanten Männchen diese Gehirnzellen acht Mal größer. Somit schütten sie um ein Mehrfaches der Freisetzungshormone aus. Das Ergebnis: Der Fisch wird aggressiver, seine Erscheinung verändert sich und seine Geschlechtsorgane werden reif.

Verliert das Buntbarsch-Männchen im Kampf seine herrschende Rolle, so werden die Gehirnzellen kleiner, er verliert seine Farbenpracht und wird unfruchtbar.
->   Gonaden bei Wikipedia
Eher "sophisticated" als dumm
Laut der US-Forscherin Burmeister unterstützt die Studie auch wissenschaftliche Annahmen, dass Fische mehr als gedankenlose Kreaturen sind, die im Wasser auf der Suche nach Futter und Weibchen nur ihrem Instinkt folgen.

"Es zeigt sich, dass der männliche Buntbarsch offensichtlich mit seiner Umwelt interagiert", so Burmeister. Immerhin hätte der Fisch vorher "gewusst", in welchem Verhältnis er zu seinem dominanten Widersacher stand und welche Chance sich plötzlich ergeben hat, als er verschwunden war.

Die Ergebnisse würden sogar vermuten lassen, dass die Männchen ständig auf eine Gelegenheit warten würden, sich zum dominanten Männchen zu verändern.

Daraus ergibt sich laut den Forschern eine viel bedeutendere Frage, nämlich über die hoch entwickelte soziale Wahrnehmung bei Fischen.

[science.ORF.at, 18.10.05]
->   Department of Biological Sciences, Stanford University
->   Neurobiology Department, Duke University
Mehr zu Buntbarschen in science.ORF.at:
->   Afrikanischen Buntbarschen auf der Evolutions-Spur
 
 
 
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01.01.2010