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Open-Access-Journal für medizinischen Studien  
  Die Hälfte aller klinischen Studien wird nicht veröffentlicht, weil die Resultate nicht die Erwartungen der Auftraggeber erfüllen. Die andere Hälfte wird zwar publiziert, aber sehr oft in teuren Fachzeitschriften. Ein neues Online-Journal versucht nun zwei Fliegen mit einer Klappe zu erlegen - und objektive Medizinstudien bei freiem Zugang anzubieten.  
Die Umrisse des neuen Projekts skizzierte Emma Veitch vom Journal "Public Library of Science Medicine" (PLoS Medicine) in der jüngsten Ausgabe des Open-Acces-Pioniers.
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Der Artikel "Tackling Publication Bias in Clinical Trial Reporting" (doi: 10.1371/journal.pmed.0020367, 18. Oktober 2005) ist in "PLoS Medicine" erschienen.
->   Der Artikel
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Unterschiede zwischen veröffentlicht und unveröffentlicht
Der traditionelle Umgang mit Medizinstudien ist von einem grundlegenden Konflikt geprägt, schreibt Veitch: Unveröffentlichte Studien unterscheiden sich in Aussagen und Gewichtung fundamental von veröffentlichten.

Die Ursache für die "Zurückhaltung" in der Veröffentlichungspraxis liegt auf der Hand: Die Auftraggeber sehen keinen Grund, nicht-genehme Ergebnisse auch noch zu publizieren.
Verzerrungen der Resultate
Von Pharmafirmen finanzierte Forschungen werden laut einer Studie des British Medical Journal aus dem Jahr 2003 viel seltener veröffentlicht als Forschungen, die von anderen Quellen beauftragt werden.

Laut einer anderen Untersuchung bleibt rund die Hälfte aller medizinischen Studien überhaupt unveröffentlicht.

Dies führt zu Verzerrungen in der Bewertung der bekannten Ergebnisse für alle Beteiligten: für die Forscher und Peer-Reviewer genauso wie für die Patienten und die Gesundheitspolitik.
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Der Artikel im BMJ (Bd. 326, S. 1167, 31.5.03): "Pharmaceutical industry sponsorship and research outcome and quality: systematic review".
->   Zum Artikel
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Revolution auslösen
Die "Public Library of Science" möchte deshalb nun auch auf dem Gebiet der klinischen Studien das fortsetzen, was von Anbeginn ihr Programm war: eine Revolution in der Publikationswelt auslösen.
->   PLoS Clinical Trials
Kosten tragen Autoren
PLoS hat ihr Projekt im Oktober 2003 mit "PloS Biology" begonnen. Bei dem Journal werden die veröffentlichten Studien wie auch sonst üblich aus den eingereichten Arbeiten durch ein internationales Peer-Review-System gewählt.

Der Unterschied zu anderen Journalen: Nicht Leser oder Bibliothekare zahlen in Form eines Abonnements für Zeitschrift und Zugang zu einer Vollversion des Textes via Internet, - sondern der Autor eines wissenschaftlichen Artikels selbst zahlt für dessen Veröffentlichung. Der Text ist dann frei verfügbar.

Das gleiche Prinzip soll nun auch bei den "PLoS Clinical Trials" angewandt werden, vorgesehen sind 2.500 US-Dollar pro veröffentlichter Studie, wobei auf diese bei begründet schlechter Finanzlage der Forscher auch verzichtet werden kann.
Verpflichtende Registrierung ebenfalls wichtig
Das neue Web-Journal versteht sich als ein Teil eines klareren und weniger von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Systems klinischer Studien. Als weiteren wichtigen Punkt sieht Emma Veitch die Einrichtung einer frei zugänglichen Datenbank, die sämtliche Studien - auch jene, die erst geplant sind - auflistet.

Für die verpflichtende Eintragung in derartige Register gibt es bereits zahlreiche Fürsprecher aus den anderen Medizin-Journalen, eine entsprechende Gesetzesvorlage liegt auch bereits dem US-amerikanischen Kongress vor.
Erste Ansätze
Wie Veitch schreibt, gibt es dazu bereits erste Ansätze - etwa von Pharmamulti GlaxoSmithKline, der auf einer Website von den eigenen klinischen Studien berichtet sowie von der US Food and Drug Administration.

Dabei würden aber weder die Objektivität noch die nötige Kombination mit anderen Daten gewährleistet sein, schreibt Veitch.
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Dazu im "British Medical Journal": More on compulsory registration of clinical trials (Bd. 330, S. 479, 26. Februar 2005).
->   Zum Abstract
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Kooperation mit Registern, Kommentar-Möglichkeit
Die "PLoS Clinical Trials" wollen daher mit bestehenden Registern wie ISRCTN oder der Global Trial Bank kooperieren und neue Formate schaffen, die benutzerfreundlicher sind und Vergleiche besser ermöglichen.

Last but not least soll es auch den Usern des Online-Journals möglich sein, Kommentare zu den Studien zu verfassen. Der "Call for Papers" ist jedenfalls eröffnet.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 19.10.05
->   GlaxoSmithKline Clinical Trial Register
->   ISRCTN
->   Global Trial Bank
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Public Library of Science: Revolution der Publikation (13.2.04)
->   Offener Informationszugang für alle gefordert (22.10.03)
->   Die Politik der Publikation - Verpackung statt Inhalt? (20.3.03)
 
 
 
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01.01.2010