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Forschervisionen: Wie man Hurrikans stoppen könnte  
  So viele tropische Wirbelstürme wie heuer sind über dem Atlantik zuletzt vor über 70 Jahren gezählt worden, 1933. Der Mensch steht diesen Naturgewalten weiterhin machtlos gegenüber. Je besser Meteorologen allerdings das Wetter verstehen, umso mehr steigt die Hoffnung, sogar Hurrikans wie "Katrina" oder "Stan" einmal beeinflussen, oder gar stoppen zu können.  
"Wir sind noch nicht so weit, aber ich bin ziemlich sicher, dass das kommen wird", sagt Hartmut Graßl, ehemaliger Chef-Klimatologe der Vereinten Nationen und emeritierter Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie.
Ablenkung im Computermodell
Möglich erscheinen solche kühnen Visionen, weil das Wetter ein chaotisches System ist: Schon eine vergleichsweise kleine Änderung auf dem richtigen Punkt kann drastische Folgen haben. Der Trick ist, die entscheidende Stelle zu finden.

Der US-Wetterforscher Ross Hoffman rechnete das bereits durch. In einer Computersimulation gelang es ihm, etwa den Taifun "Iniki", der 1992 über das Hawaii-Archipel hinwegfegte, rund hundert Kilometer nach Westen abzulenken. Anders als in der Realität verschonte "Iniki" so in der Simulation die Insel Kauai weitgehend.
Erwärmung schwächt Stürme ab
 
Bild: EPA/NOAA

Mit Kollegen seiner Firma Atmospheric and Environmental Research in Lexington (US-Bundesstaat Massachusetts) modellierte Hoffman den realen Wirbelsturm am Computer und bestimmte dann ein neues Zielgebiet.

Anschließend ließen die Wissenschaftler den Rechner nach jenem Punkt suchen, der die geringsten Eingriffe in die Schlüsselvariablen erfordert, um das gewünschte Ziel zu erreichen.

Die größte Veränderung war demnach westlich des Sturmzentrums nötig, wo die Temperatur um immerhin zwei Grad Celsius erhöht werden musste, wie Hoffman in der Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" berichtet. Hurrikan "Andrew", ebenfalls von 1992, schwächten die Forscher in der Simulation von Kategorie drei auf Kategorie eins ab.

Bild oben: Der Hurrikan "Wilma" nahe der Küste Honduras' and Nicaraguas am 18. Oktober 2005
Energie durch Solarkraftwerke im All
Derartige Eingriffe in einen Wirbelsturm sind in der Realität noch Zukunftsmusik. "Wir sind weit davon entfernt, solche Phänomene zu beeinflussen", betont der Präsident des Deutschen Wetterdienstes, Udo Gärtner.

Hoffman meint, ohnehin geplante Solarkraftwerke im Weltall könnten möglicherweise eines Tages die nötige Energie liefern. Die Solarsatelliten könnten mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung der richtigen Frequenz die feuchte Luft erwärmen. Allerdings dringt solche Strahlung aus dem Orbit nicht weit von oben in einen Hurrikan ein.
Alternative Sturmhemmer: Partikel und Öl
Eventuell ließen sich auch die Sturmwolken mit Kondensationskeimen impfen und so gezielt zum Abregnen bringen.

Eine weitere Methode wäre, das Meer in der Zugbahn des Wirbelsturms mit einem - biologisch abbaubaren - Öl zu überziehen. Dieser Ölfilm verringert die Verdunstung und nimmt dem Sturm damit seine Kraftquelle.

"Wahrscheinlich können Hurrikans verhindert oder zumindest gebremst werden, wenn Flugzeuge schnell zersetzbare und unschädliche Substanzen gezielt auf das Meer sprühen", stellt ein US-Forscherteam in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften fest.

Außer der verringerten Verdunstung beobachtete die Gruppe um Grigory Isaakovich Barenblatt von der Universität von Kalifornien in Berkeley in ihren Modellrechnungen einen weiteren Effekt: Der Ölfilm verringert die normalerweise dichte Gischt, die den turbulenten Luftwiderstand senkt, und bremst so die Windgeschwindigkeiten.
Gegensturm aus Triebwerken
Der Atmosphärenforscher Moshe Alamaro vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) schlägt vor, eine Art Gegensturm zu erzeugen. Dazu will er Schiffe mit zehn bis 20 Flugzeugtriebwerken bestücken und in den Weg des Wirbelsturms manövrieren.

Die von ihnen ausgelösten Ministürme sollen die Temperatur der Meeresoberfläche etwas senken und dem nahenden Hurrikan so Energie rauben. Experten wie der führende US-Hurrikanforscher Kerry Emanuel sehen die Erfolgsaussichten solcher Pläne allerdings skeptisch.
Darf man Stürme auf andere Länder ablenken?
Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten warnt Emanuel in der "Washington Post" auch vor dem politischen Sprengstoff, die Eingriffe in das Wetter bergen: Was passiert, wenn ein Land zwar sein Staatsgebiet erfolgreich vor einem Hurrikan schützt, der dann aber - ob gewollt oder ungewollt - ein anderes Land heimsucht?

Graßl erwartet eine breite öffentliche Debatte über die verschiedenen Formen der Wettermanipulation in etwa zehn Jahren. "Dann wird sich entscheiden, ob man es bei besseren Vorhersagen belässt oder den großen Schritt macht, auch in das Wetter einzugreifen."

Till Mundzeck, dpa, 19.10.05
->   Hurrikan - Wikipedia
->   Mehr zu Hurrikans im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010