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Körpersprache kann Gesichtsausdruck überlagern  
  Schon Darwin erkannte: Mensch und Tier vermitteln ihre Gefühle nicht nur über das Gesicht, sondern auch über die Körpersprache. Ein "erster guter Eindruck" wird also nicht nur durch ein offenes Lächeln gewonnen, sondern auch durch freundliche Haltung. Eine Studie niederländischer Psychologen zeigt nun, dass die Körpersprache beim ersten Eindruck viel mehr ins Gewicht fällt als bisher angenommen - auch dann, wenn eigentlich nur auf das Gesicht geachtet wird.  
Selbst wenn der Betrachter die Gemütslage des Gegenübers nur anhand des Gesichtes bestimmen soll, so redet die Körpersprache dabei automatisch ein Wörtchen mit. Das belegen Untersuchungen eines Forschungsteams um Beatrice de Gelder der Tilburg University.

Laut den Forschern könnte das menschliche Gehirn mit einem speziellen neuralen Mechanismus ausgestattet sein, der auf die Übereinstimmung von Gesichtsausdruck und Körpersprache achtet. Die Auswertung der dabei wahrgenommenen Information, ob übereinstimmend oder nicht, erfolgt in 115 Millisekunden.
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Der Artikel "Rapid perceptual integration of facial expression and emotional body language" erschien in der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America" (24. Oktober 2005, DOI: 10.1073/pnas.0507650102).
->   Artikel (sobald online)
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Kongruent oder nicht?
In welcher Form Gesichtausdrücke und Körpersprache beim Beobachter die Wahrnehmung prägen und welcher Mechanismus dahinter steht, dem gingen die Forscher anhand von Untersuchungen mit zwölf Probanden nach.

Sie sammelten Fotos von Männern und Frauen, die entweder das Gefühl "Angst" oder "Wut" über das Gesicht sowie den Körper zum Ausdruck brachten.

Diese Bilder manipulierten sie dann grafisch in der Form, dass die "emotionale Stimmigkeit" gestört wurde: Der wütende Gesichtsausdruck wurde mit der ängstlichen Körperhaltung kombiniert und umgekehrt. So gesellten sich zu den zwei "stimmigen" Gefühlsbildern zwei unstimmige.

 
Bild: Beatrice de Gelder, PNAS

Beispiele für übereinstimmende und nicht übereinstimmende Gefühlsausdrucke
Der erste Eindruck zählt
Die Psychologin De Gelder und ihr Team zeigten den Testpersonen die Bilder, aber jeweils nur für 200 Millisekunden. Dabei maßen die Wissenschaftler die Gehirnaktivität an den Schläfen mittels EEG-Signalen (Elektro-Enzephalographie).

Die Testpersonen sollten so akkurat und schnell wie möglich wählen: War die abgebildete Person auf dem Bild gerade wütend oder ängstlich? Achten sollten sie dabei auf den Gesichtsausdruck, gezeigt wurden ihnen alle vier Kombinationen. Die Probanden teilten den Wissenschaftlern ihr Urteil - ob wütender oder ängstlicher Ausdruck - per Knopfdruck mit.
Große Irritation
Bei den stimmigen Gefühlsbildern trafen die Probanden bessere und schnellere Entscheidungen. Die Forscher ermittelten eine Genauigkeit von 81 Prozent und Reaktionszeiten von 774 Millisekunden.

Sobald die Testpersonen die Bilder mit den nicht stimmigen Gefühlsausdrucken (wütendes Gesicht und ängstliche Körperhaltung bzw. umgekehrt) sahen, war ihre Urteilskraft - wenig überraschend - beeinträchtigt.

Damit stieg auch die Unsicherheit bei der Beurteilung des definitiven Gefühlsausdrucks. Die "richtige" Urteilsquote lag nur bei 67 Prozent in einer durchschnittlichen Reaktionszeit von 840 Millisekunden.
Frühzeitige Wahrnehmung im Gehirn
Die EEG-Messungen ergaben: Das Gehirn scheint sich sehr schnell einen Gesamteindruck vom Gegenüber zu machen - bestimmt durch den Gesichtausdruck sowie die Körpersprache.

Beim Vorzeigen der nicht übereinstimmenden Gefühlsbilder wurden bei den Testpersonen gewisse Bereiche des Gehirns bereits innerhalb von 115 Millisekunden aktiviert.

Die Forscher gehen daher davon aus, dass beim Anblick eines anderen Menschen das Gehirn automatisch überprüft, ob der Gesichtausdruck und die Körpersprache übereinstimmen. Und dieser Prozess scheint noch vor der strukturellen Entzifferung der Stimuli und einer bewussten Wahrnehmung des Gefühlzustandes des Anderen zu erfolgen.

[science.ORF.at, 24.10.05]
->   Faculty of Social and Behavioural Sciences, Tilburg University
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01.01.2010