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Knochenmarkspende kann Gen-Fingerprint ändern  
  Es hört sich an wie das Drehbuch eines TV-Krimis: Ein Mann wird durch die Analyse seiner DNA eindeutig als Täter eines schweren Sexualdelikts überführt. Und kann es doch nicht gewesen sein, denn zur Tatzeit saß er bereits im Gefängnis. Die Erklärung: Er hatte vor Jahren vom wahren Täter eine Knochenmarkspende erhalten.  
Die Genetikerin Abirami Chidambaram wies bei einem Treffen der US-Gesellschaft für Humangenetik in Salt Lake City darauf hin, dass der genetische Fingerabdruck eines Menschen durch eine derartige Transplantation von Knochenmark verfälscht werden kann.

In der Gerichtsmedizin könnten sich daraus unter Umständen Probleme ergeben, berichtet die Fachzeitschrift "New Scientist" in ihrer jüngsten Ausgabe (Nr. 2.523, S.11).
Geringe, aber wachsende Wahrscheinlichkeit
Chidambaram vom Polizeilabor in Anchorage/Alaska berichtete von dem Fall, der zwar äußerst unwahrscheinlich ist, aber bei den wachsenden forensischen Datenbanken öfter vorkommen kann.

Was denn Fall noch komplizierter, aber letztlich auch lösbar machte: Beide Männer - Täter wie auch fälschlich Beschuldigter - hatten den gleichen Nachnamen.
Bruder war Spender - und Täter
Die Ermittler fanden bei ihren Recherchen heraus, dass es sich um Geschwister handelte. Der Mann im Gefängnis hatte vor vielen Jahren eine Knochenmarkspende von seinem Bruder erhalten.

In seinem Blut tummelten sich deshalb Zellen mit der genetischen "Kennmarke" seines Spenders: Tatsächlich hatte der Spender das Sexualverbrechen begangen.

Die Experten warnten deshalb vor einem allzu blinden Vertrauen in den genetischen Fingerabdruck.
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Wirklichkeit holt TV-Fiktion ein
Bei dem Fall handelt es sich um ein gutes Beispiel, wie die Wirklichkeit die Fiktion einholt: Laut "New Scientist" wurde im November 2004 eine Folge der TV-Krimiserie "Law and Order" ausgestrahlt, in der es um einen ähnlichen Fall von gemischter DNA ging.

Überhaupt haben TV-Serien das öffentliche Bild der Spurenanalyse deutlich verschoben. Das bemerken auch Wissenschaftler - und beklagen zu hohe Erwartungen von Geschworenen sowie lernfähige Verbrecher.
->   Mehr dazu: Fernsehen wandelt das Bild der Forensik (8.9.05)
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Neue Techniken eher "mischungsanfällig"
Wie der "New Scientist" schreibt, hätte eine Knochenmarkspende bis vor kurzem dazu geführt, dass der Empfänger nur noch das Erbgut des Spenders im Blut trage. Der Grund: Bisher wurde bei einer Transplantation das Knochenmark des Empfängers zerstört. Durch neuere Techniken etwa bei der Therapie von Sichelzellen-Anämie kann es aber zu einer DNA-Mischung kommen.

Auch bei Proben, die aus der Mundschleimhaut entnommen würden, könne es zeitweise eine Überlagerung mit der Spender-DNA geben. Allerdings sei die Zahl derartiger Verwechslungen überaus gering, betonten die Experten.

Potenzielle Knochenmark-Spender sollten sich deshalb nicht von ihrem Vorhaben abhalten lassen, forderte die Sprecherin des Amerikanischen Knochenmarkspende-Programms.

[science.ORF.at/dpa, 27.10.05]
->   New Scientist
->   US-Gesellschaft für Humangenetik
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01.01.2010