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Mexiko: Lehre Darwins trotz Katholizismus unbestritten  
  Auch wenn Mexiko von den USA gerne als rückständiger und von seiner katholischen Tradition erdrückter Nachbar gesehen wird, blieb die mexikanische Wissenschaft bisher von der Debatte um Evolutionstheorie und "Intelligent Design" verschont. Dennoch bestünde aber die Gefahr, dass die friedliche Koexistenz von Wissenschaft und Kirche durch gezielte "Missionierung" mexikanischer Einwanderer in den USA unterminiert werde.  
Der Biologe Antonio Lazcano von der Universidad Nacional Autonoma de Mexico (UNAM) plädiert daher im aktuellen "Science" für eine engere Zusammenarbeit bei der Betreuung von sowohl von mexikanischen Auslandsstudenten als auch von Studierenden mit lateinamerikanischer Herkunft in den USA.
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Der Essay "Teaching Evolution in Mexico: Preaching to the Choir" von Antonio Lazcano ist am 4. November 2005 in "Science" erschienen (Band 310, S. 787-789, DOI:10.1126/science.1115180).
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Zwei Mal Konfrontation mit religiöser Kritik
Wenn er mit US-amerikanischen Kollegen rede, werde er oft gefragt, ob die Freiheit seiner Forschung zur Evolution nicht durch die katholische Tradition des Landes eingeschränkt sei.

Doch das müsse Antonio Lazcano, Autor von "Der Ursprung des Lebens", das in Mexiko mit 600.000 verkauften Exemplaren zu einem Bestseller wurde, verneinen:

Nur zwei Mal sei er mit religiöser Opposition gegen seine Arbeit konfrontiert gewesen. Beide Male sei sie von "evangelikalen Eiferern" gekommen, die als US-Amerikaner in Mexiko gepredigt hätten, schreibt Lazcano im aktuellen "Science".
Übertragenes Verständnis der Bibel
Als einen Grund für dieses entspannte Verhältnis sieht der Biologe die Praxis der katholischen Kirche in Mexiko, im Gegensatz zu den evangelikalen Anhänger des Kreationismus in den USA nicht auf einer wörtlichen Interpretation der Bibel zu bestehen, sondern sie im übertragenen Sinn zu lesen.
Weite Verbreitung der Theorien Darwins
Gleichzeitig habe die Rezeption der Theorien Darwins eine lange Tradition in Mexiko: Ab den 1940er Jahren waren seine Aussagen zur Entstehung des Lebens und der Vererbungslehre in mexikanischen Schulbüchern enthalten, die gratis an die Schüler verteilt wurden. Die Evolutionstheorie sei daher gut in der Gesellschaft verankert.

Für Mexikaner sei es schwierig, die Diskussion in den USA nachzuvollziehen und die laxe Haltung zu verstehen, die angesichts der "Unterminierung der Trennung von Kirche und Staat" von führenden Politikern an den Tag gelegt werden, so Lazcano.
->   Bush befürwortet Unterricht in "Intelligent Design" (3.8.05)
Gefahr für Wissenschaftslandschaft in Mexiko ...
Zwar ermutige ihn die bisherige Haltung der mexikanischen Forschergemeinde, die die Diskussion um "Intelligent Design" als einen schlecht getarnten Versuch wahrnehmen, religiöse Vorurteile unter dem Deckmantel einer pseudo-wissenschaftlichen Diskussion in die Schulen zu bringen.

Dennoch berge die Entwicklung in den USA durchaus Gefahren für das Nachbarland Mexiko: 14 Prozent der US-Amerikaner gelten als "Hispanics", also Menschen mit lateinamerikanischen Wurzeln, viele davon leben im so genannten "Bible Belt".
... durch gezielte Missionierung von Migranten
Es gebe bereits Berichte, dass Kreationisten gezielt unter "Latinos" nach Anhängern suchen würden, auch um die Lehre vom "Intelligent Design" besonders über die illegalen Migranten, die immer wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, weiter zu verbreiten.

"Hohe Zäune mögen zwar gute Nachbarn machen, aber eine stärkere Zusammenarbeit der akademischen Gemeinden beiderseits der Grenzen könnte noch besser funktionieren", plädiert Lazcano für mehr Austauschprogramme zwischen den beiden Ländern und gezielte Information für mexikanische und US-"Latino"-Studenten in den USA über die Hintergründe der Debatten über "Intelligent Design".
Mexikanische Kirche ohne Schönborn-Meinung
Für Mexiko hofft Lazcano, dass die dortige katholische Kirche sich nicht der Meinung des Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn anschließt, der die Evolutionstheorie in einem Kommentar in der "New York Times" kritisiert hat.
->   Schönborn kritisiert Evolutionstheorie (ORF.at)
Vieldeutige Stellungnahme aus dem Vatikan
Eine jüngste Stellungnahme zum Thema seitens des Vatikans lässt jedenfalls viele Interpretationen zu. Wie Kardinal Paul Poupard bei einer Pressekonferenz zu einem Projekt des Vatikans zur Versöhnung von Religion und Wissenschaft sagte, dürfte sich die Kirche den Einsichten der modernen Wissenschaft nicht verschließen. Sonst drohe die Religion in den Fundamentalismus abzugleiten.

Der Kardinal mahnte aber auch die Wissenschaft, auf die Kirche zu hören. "Wir wissen, wie die Wissenschaft auch enden kann", sagte Poupard. Der Kardinal verwies auf die Atombombe und die Möglichkeiten zum Klonen von Menschen.

Dies sei die Saat einer Vernunft, die sich selbst von allen religiösen und ethischen Bindungen lösen wolle.

[science.ORF.at/APA/AP, 7.11.05]
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Serie "Global Science"
science.ORF.at lädt mit der Serie "Global Science" zu einer wissenschaftlichen Weltreise. Im Mittelpunkt der unregelmäßig erscheinenden Beiträge stehen Länder und Regionen stehen, von deren Wissenschafts- und Forschungslandschaft man in Österreich nur selten liest.
Bisher erschienen:
Iran: Wissenschaftliche Exzellenz trotz Kontrolle (16.3.05)
China: Mangelnde Ethik bei klinischen Versuchen (13.5.05)
Islam im Internet: Fatwa, Politik und Heiratsagenturen (14.4.05)
Indien: Wissensmacht des 21. Jahrhunderts? (16.3.05)
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->   Universidad Nacional Autonoma de Mexico
Jüngste Beiträge zu "Intelligent Design" in science.ORF.at:
->   "Intelligentes Design" vor US-Gericht (27.9.05)
->   Richard Dawkins: Evolution genauso Fakt wie Holocaust (26.8.05)
->   Evolution: FWF-Chef sieht "Attacke auf Wissenschaft" (13.7.05)
 
 
 
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01.01.2010