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Spanische Grippe: Erreger wird per Post verschickt  
  Im Oktober dieses Jahres sorgten US-Forscher für Aufsehen, weil sie den Erreger der Spanischen Grippe von 1918 im Labor rekonstruiert hatten. Nun wurde bekannt, dass man das Virus einigen Labors per Post zustellen will.  
Virologen schlagen deshalb nun Alarm. Sie meinen, dass das Virus entkommen und eine neuerliche Pandemie auslösen könnte.
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Der Artikel "Deadly flu virus can be sent through the mail" erschien im Fachjournal "Nature" (Band 438, S. 134-5, Ausgabe vom 10.11.05).
->   Nature
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Wiederauferstehung eines Killers
Im Oktober dieses Jahres meldeten Forscher der US-Seuchenbehörde (CDC) in Atlanta, dass sie ein künstliches Influenza-Virus hergestellt hätten. Das Besondere daran: Es entstand aus den Genen eines tödlichen Erregers, der in den Jahren 1918-19 bis zu 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hatte. Diese Pandemie ist heute unter dem Namen "Spanische Grippe" bekannt.

Das Team um Terrence Tumpey griff dabei auf die Überreste eines Grippeopfers zurück, das in Alaska begraben worden war. Der Leichnam und das Virus blieben durch den Dauerfrost im Boden konserviert, wodurch das Erbgut sequenziert und schließlich der ganze Erreger nachgebaut werden konnte.
->   Erreger der Spanischen Grippe im Labor nachgebaut
Zunächst Bedenken ...
"Science"-Chefredakteur Donald Kennedy räumte damals in einem Kommentar ein, dass er lange gezögert habe, eine genetische Blaupause des Virus zu veröffentlichen.

Am Ende aber habe die Überzeugung gesiegt, dass die Erforschung des Spanische-Grippe-Erregers und die Entwicklung eines Impfstoffs gegen das eng verwandte Vogelgrippe-Virus der Menschheit mehr Vorteile als Nachteile bringen dürfte.

Die US-Seuchenbehörde hatte damals zudem erklärt, das gefährliche Virus werde nicht verschickt. Außerdem habe nur ein einziger Mikrobiologe - Terrence Tumpey - Zugang zu dem Erreger (Nature 437, 794). Nun hat die Behörde aber offenbar ihre Meinung geändert.
... Virus wird nun doch verschickt
CDC-Sprecher Von Roebuck erklärte, dass spezialisierte Labors auf Anfrage das Virus über private Frachtunternehmen erhalten könnten. Auflage sei allerdings, dass die Labors auf der Bio-Sicherheitsstufe 3 arbeiten müssten.

Auf dieser Sicherheitsstufe müssen keine Ganzkörperanzüge getragen werden, Pflicht sind jedoch Atemschutz und Duschen nach dem Verlassen des Arbeitsplatzes.

Wie "Nature" berichtet, wird den Forschern auch "dringend empfohlen", sich gegen Grippe impfen zu lassen. Der normale Influenza-Impfstoff könnte nämlich teilweisen Schutz bieten.
->   CDC Biosafety pages
Risiko vs. Forschung
Bisher hat noch kein Labor das rekonstruierte Virus offiziell angefordert. Laut "Nature" haben jedoch viele Forscher Interesse daran. Jens Kuhn, Virologe an der Harvard Medical School, kritisiert, dass die Verbreitung des Virus ein unnötiges Risiko darstelle.

Er fordert ein internationales Abkommen, das nur wenigen ausgesuchten Labors erlaubt, an dem Virus zu forschen. Befürworter meinen hingegen, dass man zunächst herausfinden müsse, warum das Virus so tödlich gewesen sei:

"Wir müssen vorsichtig sein", meint etwa US-Gesundheitsminister Michael Leavitt: "Aber auf der anderen Seite sollten wir die Möglichkeit haben, den Erreger zu untersuchen."

[science.ORF.at/dpa, 9.11.05]
->   Centers for Disease Control and Prevention
 
 
 
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01.01.2010