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US-Mediziner: Down-Syndrom früher testen  
  Eine kombinierte Untersuchung per Ultraschall mit zwei Labor-Tests in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ist laut US-Wissenschaftlern die beste Methode, ein Down-Syndrom beim Embryo zu erkennen.  
Das ergab eine Studie mit mehr als 38.000 Frauen in den Vereinigten Staaten. In Österreich wäre eine solche Untersuchung allen Schwangeren anzubieten, meinte dazu Peter Husslein, Vorstand der Universitäts-Frauenklinik am Wiener AKH.
Kritik an den Untersuchungsmethoden
Schon in der Vergangenheit kritisieren insbesondere Behindertenorganisationen, aber auch Ärzte und Frauenverbände die Methode: Behinderung werde in der Diskussion grundsätzlich als ein Übel wahrgenommen, das mit moderner Technologie verhindert werden kann und soll. Und der Druck auf Frauen, bei einem Hinweis auf eine Behinderung abzutreiben, wachse.
Zwei Untersuchungsmethoden
Bisher wurden Tests im ersten oder im zweiten Schwangerschaftsdrittel propagiert - entweder eine Ultraschalluntersuchung und zwei Labortests in den ersten drei Monaten oder vier Labortests im zweiten Schwangerschaftsdrittel. Unklar war, welche Methode die bessere ist.
Kombination aus Ultraschall und Labortests im ersten Drittel
Im Rahmen einer breit angelegten Studie wurden 38.167 Schwangere im ersten oder zweiten Schwangerschaftsdrittel untersucht.

Das Hauptergebnis: Mit einer Ultraschalluntersuchung auf die Transparenz der Nackenfalte des Embryos und zwei Labor-Bluttests (PAPP-A-Protein und auf ein Fragment des human chorionic-gonadotropin-Hormons) konnten im ersten Schwangerschaftsdrittel zwischen 82 und 87 Prozent der Fälle von Down-Syndrom erkannt werden.
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Die Studie "First-Trimester or Second-Trimester Screening, or Both, for Down's Syndrome" von Fergal D. Malone und Kollegen ist am 10. November im "New England Journal of Medicine" erschienen (Band 353, S. 2001-2011).
->   Zum Original-Abstract
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Chromosomenschäden durch Nackentransparenz erkennen
In den vergangenen Jahren hat sich die Vermessung der Dicke der so genannten Nackenfalte im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung als wichtige Methode in der frühen Erkennung von Chromosomenschäden beim Embryo - somit auch des Down-Syndroms etabliert.

Unter der Nackenfalte ("Nackentransparenz") verstehen die Mediziner eine vergrößerte Flüssigkeitsansammlung samt Verdickung im Nacken des Ungeborenen. Je größer sie ist, desto eher ist ein Chromosomenschaden gegeben.
->   Mehr zum Thema Nackentransparenz in Wikipedia.de
Fünf Prozent der Untersuchungen falsch
Falsch positiv fielen in der US-Studie nur fünf Prozent dieser Untersuchungen (Ultraschall und zwei Labortests) aus.

Das bedeutet, dass in diesen Fällen Ultraschall und die zwei Blutuntersuchungen auf ein Down Syndrom hindeuteten, jedoch die Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zeigte, dass kein Down Syndrom vorlag.
Husslein: Bestätigung von bereits Bekanntem
Husslein: "Die Studie wird 'Wellen' machen. Sie bestätigt, was wir an sich schon immer gewusst haben. Die Untersuchung im ersten Schwangerschaftsdrittel per Ultraschall und zwei Labortests ist besser."

Gegen das Abwarten bis zum zweiten Schwangerschaftsdrittel spricht auch, dass dann eine eventuelle Abtreibung schwieriger durchzuführen ist als in der frühen Schwangerschaft.
Kritik von Behindertenorganisationen ...
Genau hier setzten schon in der Vergangenheit die Kritiker der Methode an: "Wie aus der Erfahrung vieler Gynäkologen und Kliniken bekannt ist, endet diese Diagnose (Down-Sydrom, Anm.) bei 95 Prozent der Schwangerschaften im Abbruch", schreibt etwa die Lebenshilfe Wien zum Thema Nackentransparenz-Messung auf ihrer Website.

Es dürfe Menschen mit Behinderungen "nicht abgesprochen werden, dass ihr Leben ebenso sinnerfüllt ist, wie das von nichtbehinderten Menschen", heißt es weiter. Gerade Menschen mit Down-Syndrom könnten bei gelungener Schulintegration und Fördermaßnamen ein glückliches Leben führen.
->   Lebenshilfe Wien
... und Frauenvereinen
Auch Frauenorganisationen sehen die Methoden kritisch: Der Druck auf schwangere Frauen, bei einem Hinweis auf eine Behinderung abzutreiben, nehme stetig zu.

Eine Entscheidung für ein behindertes Kind würde von der Umgebung nach dem Motto "Das hätte man verhindern können" nicht akzeptiert und führe zu sozialer Isolation der Betroffenen.
Unterschiedliche Praxis der Krankenkassen
Wie in Österreich mit der neuen Erkenntnis und generell mit den Screening-Technologien umgegangen wird, ist nicht zuletzt eine Entscheidung der Krankenkassen: Peter Husslein, Vorstand der Wiener Universitäts-Frauenklinik, bemängelt die völlig unterschiedliche Handhabung in den österreichischen Spitälern: "In Österreich gibt es keine einheitliche Strategie. In Westösterreich, zum Beispiel in Salzburg, wird den Schwangeren gar nichts angeboten."

In Ostösterreich werde die Nackenfalten-Vermessung per Ultraschall angeboten, die Patientinnen müssten für die Bluttests zuzahlen. In der Steiermark müssten die Frauen alles privat bezahlen. Husslein: "Die Krankenkassen müssen jetzt ja oder nein sagen. Sie müssen sich jetzt äußern."

[science.ORF.at/APA, 11.11.05]
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01.01.2010