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Neues Buch: Thesen zum Rückstand des Orients  
  Unter dem Titel "Versiegelte Zeit" wagt ein Buch des Historikers Dan Diner ungewöhnliche Thesen über den Rückstand der arabischen Welt. Er meint, dass die Allgegenwart des Korans den Fortschritt behindert.  
Notwendige Säkularisierung fehlt
Das heilige Buch des Islam "behindert" und "blockiert" eine arabische Wissenskultur, betonte Diner in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit".

Die Schriftsprache Hocharabisch sei ein Kunstwerk und weniger ein Kommunikationsmittel - und somit selbstbezogen, argumentierte er weiter.

Der notwendige Prozess der Säkularisierung habe bislang nicht einsetzen können, unter anderem da eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit dem Koran nicht erlaubt sei.
Ungewöhnliches zum Osmanischen Reich
Diners Buch liefert fundierte und interessante Analysen der historischen und politischen Situation in der arabischen Welt.

Vor allem sein Kapitel über Aufstieg und Fall des Osmanischen Reiches bietet neben einem guten Überblick auch einige neue, ungewöhnliche Details über das Wirken dieses Herrscherhauses.

Seine Kernthese über die vom Koran "versiegelte Zeit" erläutert er im letzten Kapitel unter der Überschrift "Geschichte und Gesetz - Über die Verwandlung sakraler in profane Zeit".
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Dan Diner: Versiegelte Zeit - Über den Stillstand in der islamischen Welt, Propyläen Verlag, Berlin 300 S.
->   Das Buch im Propyläen Verlag
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Zweifel von Kollegen
Seine fast philosophischen Gedanken sind von fachfremden Lesern allerdings nur schwer nachvollziehbar. Nicht alle Kollegen halten seine Ausführungen für schlüssig.

Der kürzlich gestorbene Philosoph Friedrich Niewöhner bezweifelte in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung", dass die sakrale Hochsprache allein für die Entwicklungsblockade verantwortlich sei.
Statischer und unverwandelbarer Koran
Diner hat betont, dass der Koran und die dazugehörenden Rechtsauslegungen den muslimischen Lebenswelten etwas Statisches und Unverwandelbares geben.

Er meint, dass Geschichte von islamischen Wissenschaftlern nicht als Fortschritt, sondern zu sehr als göttliche Vorsehung verstanden wird.
Kulturkampf innerhalb des Nahen Ostens
"Der Weg zur säkularen, zivilen Gesellschaft wird in der arabischen Welt notwendig ein anderer sein müssen", betonte der Historiker in einem Gespräch mit dem "Spiegel". Er sieht auf diesem Weg einen Kulturkampf innerhalb der Länder des Nahen Ostens und nicht mit dem Westen.

Es gehe mehr um Pluralität als um eine Mehrheitsherrschaft - eine Mehrheit würde sich Diners Annahmen zufolge eher "ethnisch einfärben, als sozial oder politisch ausdifferenzieren".

Diesen Kulturkampf sei jedoch ein notwendiger Kampf um die Säkularisierung der arabisch-muslimischen Welt.

Claudia Utermann, dpa, 14.11.05
->   Spiegel-Interview mit Dan Diner
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Islam im Internet: Fatwa, Politik und Heiratsagenturen (14.4.05)
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01.01.2010