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"Karrierefrauen": Kein Partner für Kinderwunsch  
  Dass der Egoismus gut ausgebildeter und beruflich erfolgreicher Frauen dazu führt, dass sie so wenige Kinder bekommen, ist laut einer deutschen Sozialwissenschaftlerin nichts als ein Vorurteil. In Wirklichkeit würden sie schlicht keinen Partner finden, weil Männer sich nicht gerne an erfolgreiche, intelligente Frauen binden.  
Männer würden Partnerinnen bevorzugen, die ihnen sozial "untergeordnet" seien, behauptet nicht nur Christiane Dienel von der Fachhochschule Magdeburg, sondern auch US-amerikanische Psychologen.
Gründe: Von der Biologie bis zu den Absolventenzahlen
Über die Gründe gibt es verschiedene Vermutungen: Während die einen annehmen, dass Männer bei gut ausgebildeten Frauen befürchten, betrogen zu werden und mit ihrer Partnerinnenwahl diesem reproduktiven Nachteil vorbeugen wollen, sehen andere gesellschaftliche Gründe, etwa dass erfolgreiche Männer Partnerinnen brauchen, die ihr Privatleben inklusive Haushalt und Kinder managen.
Drei "Fallstricke" für gut qualifiziert Frauen:
In einem aktuellen Kommentar für das deutsche "Handelsblatt" schreibt die Sozialwissenschaftlerin Dienel von "drei Fallstricken", die den Kinderwunsch, den gut ausgebildete Frauen genauso oft hegen würden wie ihre weniger qualifizierten Geschlechtsgenossinnen, unerfüllt lassen:
Lange warten ...
Erstens sei es gefährlich, zu lange mit der Schwangerschaft zu warten. Hat eine Frau einmal ein Alter Mitte Dreißig erreicht, findet sie kaum mehr einen Partner.

Der Grund: Männer bevorzugen eher jüngere Partnerinnen, und 40-jährige Männer sind meist schon gebunden.
... kein Partner mit gleichem sozialen Status ...
Als zweiten Fallstrick identifiziert Christiane Dienel "die Gesetze des Partnermarkts": Männer angeln mit Status und Geld, Frauen hingegen mit Schönheit und Jugend.

Wenn Männer jüngere und ihnen sozial "unterstellte" Partnerinnen haben, wird das gesellschaftlich akzeptiert: Der Arzt, der seine Assistentin heiratet, ist ebenso üblich wie der Chef, der die Sekretärin ehelicht.

Wenn aber umgekehrt eine Frau ihren jüngeren Assistenten ehelicht, folgen scheele Blicke der Umgebung.
... private Versorgung durch Partner
Und drittens seien die "Anforderungen des Jobs" nicht zu vernachlässigen: Männer suchen sich Partnerinnen, die ihnen bei einem 50- bis 60-Stunden-Job den privaten Rücken freihalten, d.h. sich um Haushalt, Kinder und Freunde kümmern. Umgekehrt ist diese Arbeitsteilung kaum denkbar.
->   Zum Beitrag von Christiane Dienel im "Handelsblatt"
Attraktivitätstest mit Studierenden
Die pointiert formulierten Thesen der deutschen Sozialwissenschaftlerin decken sich mit Erkenntnissen, die Psychologen der Universität Michigan bereits Ende 2004 veröffentlicht haben:

Sie legten über 300 Studierenden ein Foto eines erfundenen Arbeitskollegen bzw. einer -kollegin vor und beschrieben die Person als Chef(in) bzw. Assitent(in). Die Testpersonen sollten bewerten, ob sie die Person gerne näher kennen lernen würden.
Männer fühlen sich von Assistentinnen angezogen
Es zeigte sich, dass sich Männer viel stärker von den als "Assistentin" beschriebenen Personen angezogen fühlten als Frauen.

Dieses Ergebnis deckt sich wiederum mit anderen Studien, die bei Frauen umso mehr Nachteile bei der Partnerwahl orten, je höher ihr Intelligenzquotient ist.
...
Die Studie "Relational dominance and mate-selection criteria: Evidence that males attend to female dominance" von Stephanie Brown und Brian Lewis ist im Magazin "Evolution and Human Behavior" erschienen (Band 25, S. 406-415, doi:10.1016/j.evolhumbehav.2004.08.003).
->   Zum Original-Abstract
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Streit über die Gründe: Biologie ...
Die Gründe für dieses Verhalten sind umstritten. Stephanie Brown und Brian Lewis sehen darin einen Mechanismus, der sich aus der biologischen "Reproduktionslogik" ergibt:

Je höher qualifiziert und erfolgreicher eine Frau ist, als desto größer empfinden Männer das Risiko, betrogen zu werden. Steht die Partnerin aber sozial auf einer unteren Stufe, steigere das die Selbstsicherheit der Männer.
... oder Gesellschaft?
Die Magdeburger Sozialwissenschaftler Christiane Dienel kann mit derlei Argumentation wenig anfangen: Sie plädiert dafür, die Studienzeiten zu verkürzen und die Studierendenquote zu erhöhen. Damit würde auch der "Partnerpool" für gut ausgebildete Frauen wachsen.
DDR: Wenig Statusunterschiede, viele Kinder
Dass die Kinderlosigkeit vieler Frauen tatsächlich mehr mit der Gesellschaft als mit biologischen Mechanismen zu tun haben könnte, darauf weist eine weitere Studie Dienels hin: In der DDR hätten soziale Grenzen bei der Partnerwahl kaum eine Rolle gespielt, Gehalt und Status unterschiedlichster Berufsgruppen waren sehr ähnlich.

Das Resultat: Ostdeutsche Frauen des Jahrgangs 1955 waren nur zu 6,2 Prozent kinderlos, noch heute bekommen Frauen aus dem ehemaligen "Osten" tendenziell mehr Kinder als "Wessis".
Kein Kinderverzicht aus Hedonismus
Die Zahlen gleichen sich aber rasant an, so Dienel: Die 1965 geborenen Frauen aus dem Osten werden schon zu 26 Prozent kinderlos bleiben, im Westen sind es in dieser Altersgruppe 30 Prozent.

Natürlich würde auch fehlende bzw. verringerte Kinderbetreuung und beruflicher Druck eine Rolle spielen, so die Sozialwissenschaftlerin, die aber dennoch dabei bleibt: Der Hauptgrund ist, dass erfolgreiche Frauen keinen Partner finden. "Aus Hedonismus verzichtet keine Frau auf Kinder."

Elke Ziegler, science.ORF.at, 15.11.2005
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01.01.2010