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Plötzlicher Herztod: Molekulare Ursachen entdeckt  
  US-Forscher haben nun eine wichtige Ursache für mitunter tödliche Herzrhythmusstörungen entdeckt: Eine Mutation führt demnach zur einer gestörten Kalziumregulierung in Herzzellen. Dadurch ist das Herz anfälliger für einen Totalausfall.  
Die Mutation selbst fanden Peter Mohler und Vann Bennett vom Duke Medical Center in North Carolina bereits vor zwei Jahren; nun klärten sie, was sie im Herzen auf biochemischer Ebene bewirkt.
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Die Studie von P. Mohler und V. Bennett erscheint demnächst im Fachjournal "Public Library of Science Biology".
->   PLoS Biology
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Herztod: Der Fall Serginho
Mindestens 300.000 Menschen sterben jährlich in Europa und den USA am plötzlichen Herztod. Nicht selten litten die Betroffenen zuvor an Herzrhythmusstörungen, so genannten Arhythmien. Das dürfte etwa beim Aufsehen erregenden Tod des brasilianischen Fussballprofis Paulo Sérgio de Oliveira Silva (genannt Serginho) im Oktober letzten Jahres der Fall gewesen sein:

Der 30-jährige Vorstopper von Sao Caetano war in der 60. Minute eines Spiels gegen den FC Sao Paulo ohne ersichtlichen Grund zusammengebrochen und kurz darauf gestorben. Die Ärzte konnten nur noch Herz- und Atemstillstand diagnostizieren.
->   Plötzlicher Herztod - Wikipedia
Protein reguliert Kalziumgehalt
Peter Mohler und Vann Bennett vom Duke Medical Center fanden nun eine wichtige Ursache solcher und ähnlicher Todesfälle: Sie entdeckten, dass Träger einer bestimmten Mutation ein stark erhöhtes Risiko aufweisen, an Herzrhythmusstörungen zu sterben.

Die Mutation betrifft ein Protein namens Ankyrin-B, das zusammen mit anderen Eiweißstoffen das Ein- und Ausströmen von Ionen in die Herzmuskelzellen steuert.

"Das bei weitem wichtigste dieser Ionen ist Kalzium, dessen Eintritt in die Zelle zu einer Kontraktion führt. Vor dem nächsten Herzschlag muss es jedoch wieder aus der Zelle gepumpt werden", erklärt Vann Bennett: "Wir fanden heraus, dass der Ankyrin-B-Komplex gewissermaßen als Sicherheitsventil agiert, um die richtige Kalzium-Balance zu gewährleisten."
Mutation stört "Sicherheitsventil"
Patienten, deren Ankyrin-B mutiert ist, können diese Balance offenbar viel weniger gut herstellen, weswegen sie anfälliger für Arhythmien sind.

Die Mutation selbst fanden die US-Forscher bereits 2003 bei einigen Mitgliedern einer französischen Familie (Nature 421, 634). Ein Jahr später entdeckten sie eine spezielle Form von Herzrhythmusstörungen, die heute als Sinusknotensyndrom mit verlangsamtem Herzschlag ("sick sinus syndrome with bradycardia") bezeichnet wird (PNAS 101, 9137)
->   Sick-Sinus-Syndrom - Wikipedia
"Pumpen" in der Herzzelle
In ihrer aktuellen Studie klärten Mohler und Bennett nun die genauen Vorgänge bei der Regelung des Kalzium-Spiegels in der Herzmuskelzelle. Hier ist zu beachten, dass nicht nur ein Zuwenig, sondern auch ein Zuviel in der Zelle Schaden anrichten kann.

Daher muss das einmal in die Zelle gelangte Ion wieder herausbefördert werden, was zwei "Molekülpumpen" namens NCX1 und Na/K-ATPase bewerkstelligen.
Zerfallender Proteinkomplex löst Herztod aus
Die US-Forscher fanden nun heraus, dass Ankyrin-B sowohl an die beiden Molekülpumpen als auch an einen Rezeptor (InsP3R) bindet, dessen genaue Funktion jedoch noch nicht geklärt ist.

"Wir entdeckten, dass Ankyrin-B mit allen drei Proteinen einen Komplex bildet", führt Peter Mohler aus. "Unserer Analyse zufolge verliert die mutierte Form allerdings 60 Prozent ihrer Bindungsfähigkeit." Das führe wiederum zu einer gestörten Regelung des Kalzium-Gehalts in Herzzellen.

"Nun wissen wir auch, warum die Menschen häufig an Herzrhythmusstörungen sterben", betont Mohler: "Der Grund ist, dass durch die Mutation der Komplex zwischen Ankyrin-B und den anderen Proteinen einfach auseinander fällt."
Ähnliche Verhältnisse in der Bauchspeicheldrüse?
An dieser Stelle könnten auch einmal neue Medikamente ansetzen, hoffen die beiden Forscher, die sich in ihrem nächsten Projekt einem anderen Organ zuwenden wollen.

"Es gibt erregbare Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die mit Kalziumkanälen die Insulinproduktion regulieren", so Bennett: "Wer weiß, vielleicht trifft das, was wir über die Rolle von Ankyrin im Herzen gelernt haben, auch auf die Bauchspeicheldrüse zu?"

[science.ORF.at, 16.11.05]
->   Duke Medical Center
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01.01.2010