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Wie Nanomotoren große Distanzen überwinden  
  Einzelne molekulare Motoren können Vesikelbläschen oder Latexkügelchen in der lebenden Zelle über einige Mikrometer transportieren. Deutsche Wissenschaftler haben jetzt gezeigt, dass bereits sieben bis acht Motormoleküle ausreichen, um Nanofrachten über einige Zentimeter oder sogar Meter zu bewegen.  
Dies berichten Stefan Klumpp and Reinhard Lipowsky vom Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam.
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Die Studie "Cooperative cargo transport by several molecular motors" erschien auf der Website des Fachjournals "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0507363102).
->   Zur Studie
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"Nano-Traktoren" in der Zelle
Molekulare Motoren sind die "Nano-Traktoren" für alle Frachten, die in den Zellen eines Organismus transportiert werden. Sie bewegen sich schrittweise entlang der so genannten Filamente des Cytoskeletts, indem sie chemische Energie als eine Art Treibstoff für die Fortbewegung nutzen. Biochemisch betrachtet handelt es sich bei den molekularen Motoren um Motorproteine - Kinesine, Dyneine und Myosine.
->   Cytoskelett - Wikipedia
Schrittlänge rund 10 Nanometer
Bild: Konrad J . Böhm, Leibniz Institute for Age Research - Fritz Lipmann Institute
Vesikeltransport entlang eines Microtubulus (Bild: K.J. Böhm).
Die Schrittlänge der Motoren (Bild rechts) beträgt etwa 10 Nanometer; dabei bewegen sie Frachtpartikel, die viel größer sind als sie selbst. Während des letzten Jahrzehnts ist das Wissen über molekulare Motoren stark gestiegen.

Dies ist hauptsächlich der Entwicklung neuer Experimente zu verdanken, die das systematische Studium molekularer Motoren außerhalb von Zellen ermöglichen.

Ein Beispiel dafür ist das so genannte "Bead-assay"-Kügelchenexperiment, bei dem Filamente unbeweglich auf einer Oberfläche angeordnet sind und molekulare Motoren Latexkügelchen entlang dieser Filamente bewegen. Die Bewegung dieser Kugeln kann unter dem Mikroskop beobachtet werden.
Einzelne Motoren kommen vom Weg ab
Hierbei stellte sich heraus, dass molekulare Motoren - im Unterschied zu Eisenbahnen oder Autos - die Tendenz haben, von der Schiene oder Straße abzukommen und anschließend Zufallsbewegungen in der umgebenden wässrigen Lösung auszuführen.

Dieses Phänomen ergibt sich aus ihrer winzigen Größe im Nanometerbereich, die sie anfällig macht für thermische Störungen. Daher kann sich ein einziger molekularer Motor nur für relativ kurze Zeit - etwa eine Sekunde - auf dem Filament halten.
Marathonläufer statt Sprinter gefragt
Während dieser Zeit legt der Motor eine Entfernung von ungefähr einem Mikrometer zurück, was nur einem winzigen Teil (ca. 1/10.000) der langen Transportdistanz von Frachtpartikeln etwa in den Fortsätzen von Nervenzellen (Axonen) ausmacht.

Anders ausgedrückt: Der einzelne Motor schafft nur einen Kurzstreckensprint, das gesamte Frachtgut muss jedoch einen Marathon zurücklegen.
In der Gruppe stark
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam haben jetzt eine einfache Lösung für dieses Rätsel gefunden.

Wird die Fracht von mehreren Motoren gleichzeitig gezogen, so bleibt jeder Motor, der sich vom Filament ablöst, in dessen unmittelbarer Nähe, solange Fracht und Filament noch mit mindestens einem Motor verbunden sind.

In dieser Situation ist der freie Motor in der Lage, erneut an das Filament zu binden und dann den Transport des Frachtguts fortzusetzen. Im Gegensatz zu menschlichen Sprintern gibt es also bei molekularen Motoren auch nach vielen aufeinander folgenden Läufen keine Ermüdungserscheinungen.
Modell bestätigt
Der entdeckte Mechanismus wurde von einem neuen theoretischen Modell abgeleitet. Dieses führte zu folgendem Ergebnis: Ein Frachtpartikel, das von zehn Motoren gleichzeitig gezogen wird, kann sogar eine durchschnittliche Strecke von ungefähr einem Meter zurücklegen. Das wurde von ersten Experimenten auch bestätigt.

[science.ORF.at/MPG, 16.11.05]
->   MPG für Kolloid- und Grenzflächenforschung
 
 
 
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01.01.2010