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Selbstmorde nach Tamiflu-Einnahme?  
  In Japan haben zwei Teenager nach Einnahme des Vogelgrippe-Medikaments Tamiflu möglicherweise Selbstmord begangen. Dies berichtete die Pharmafirma Chugai an die örtlichen Behörden.  
Der Tamiflu-Hersteller Roche aus der Schweiz erklärte dazu, die Häufigkeit psychischer Störungen sei mit Tamiflu nicht höher als in unbehandelten Grippe-Fällen.

Das vielfach mit Grippe verbundene starke Fieber könnte in beiden Fällen zu Bewusstseinsstörungen geführt haben.
Anormales Verhalten nach Einnahme von Tamiflu
Die Roche-Tochter Chugai hat dem japanischen Gesundheitsministerium zwei Fälle von anormalem Verhalten nach der Einnahme von Tamiflu gemeldet.

Japanischen Zeitungsberichten zufolge war einer der Teenager im Februar vor einen Lastwagen gelaufen und der andere sei beim Sturz aus dem neunten Stock eines Gebäudes ums Leben gekommen.
Roche: Kein Zusammenhang
Roche bestätigte die Fälle der beiden jungen Männer. Der bei Roche für Pandemie-Impfstoffe zuständige Manager David Reddy erklärte weiter, Roche verfüge aber über keine Daten, die darauf hindeuten würden, dass sich die Häufigkeit psychotischer Fälle bei einer Tamiflu-Behandlung von der bei unbehandelten Grippe-Fälle unterscheide.

Es gebe keinen höheren Prozentsatz an Störungen bei Tamiflu-Behandlungen.
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Tamiflu
Tamiflu hat im Zusammenhang mit der Angst vor einer Vogelgrippe-Pandemie viel Beachtung gefunden. Es gehört zu jener Klasse von antiviralen Medikamenten, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Schutz vor einer massenhaften Verbreitung der Vogelgrippe empfohlen werden. Zahlreiche Regierungen legen Tamiflu-Lager an.
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Sicherheit des Medikaments wird ständig überwacht
Bei dem Burschen, der aus dem Fenster gefallen sei, sei zudem unklar, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt habe. Der junge Mann habe ein anderes Medikament genommen, von dem man wisse, dass es das zentrale Nervensystem beeinflusse.

Roche erklärte weiter, die Sicherheit des Medikaments werde laufend überwacht. Auch die japanischen Behörden betonten, ein Zusammenhang zwischen dem Medikament und dem Verhalten der jungen Menschen sei nicht bewiesen.
Beide Fälle den Behörden gemeldet
Chugai erklärte, die beiden Fälle seien den Behörden gemeldet worden, da eine Verbindung zwischen dem Verhalten der jungen Männer und der Einnahme von Tamiflu nicht ausgeschlossen werden könne.

Die Sicherheit von Tamiflu werde überwacht und jede nachteilige Entwicklung den Behörden gemeldet, so Roche. Das Mittel habe in klinischen Studien und bei der normalen Anwendung ein gutes Sicherheitsprofil gezeigt. Weltweit hätten bisher über 30 Millionen Menschen Tamiflu eingenommen.
Japanische Behörden sehen keinen Anlass für Maßnahmen
Auch die japanischen Behörden sahen keinen Grund einzugreifen. Es bestehe nicht die Absicht, die Anwendung von Tamiflu zu beschränken oder zusätzliche Warnhinweise zu erlassen, so der stellvertretende Direktor der für die Sicherheit von Medikamenten zuständigen Abteilung im japanischen Gesundheitsministerium, Shinichi Watanabe.

"Ein Zusammenhang zwischen dem anormalen Verhalten und dem Medikament kann nicht ausgeschlossen werden, aber zugleich kann das Mittel nicht als alleiniger Grund für das Verhalten herausgegriffen werden", sagte Watanabe.
Warnhinweis in Gebrauchsinformation
Sehr wohl haben die japanischen Behörden laut einem Bericht der BBC aber einen Hinweis in die Gebrauchsinformation aufgenommen, in dem vor psychischen Effekten wie Wahnvorstellungen gewarnt wird.
EU: Kein kausaler Zusammenhang bewiesen
Die Europäische Agentur für Medikamentensicherheit (EMEA) hält einen solchen Schritt nicht für nötig. Auch sie weist auf eine Anfrage der BBC darauf hin, dass die Grippe selbst die beobachteten Symptome habe auslösen können.

Zwar wurden der EMEA bereits 48 Fälle von psychischen Nebenwirkungen von Tamiflu gemeldet, ein kausaler Zusammenhang zwischen den Störungen und dem Medikament habe aber noch nicht bewiesen werden können, so ein EMEA-Sprecher.

[science.ORF.at/APA/OTS, 16.11.05]
->   European Medicines Evaluation Agency (EMEA)
->   Mehr über Tamiflu im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010