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Gedenkjahr: Historiker Stourzh zieht positive Bilanz  
  Der Historiker Gerald Stourzh zieht ein positives Resümee des zu Ende gehenden Gedenkens an die Jahre 1945 und 1955. "Der wissenschaftliche Ertrag des Gedankenjahres ist doch ein sehr beträchtlicher."  
Dies sagte Stourzh am Donnerstag bei der Präsentation dreier Neuerscheinungen zum Thema. Die Bücher befassen sich mit Zustandekommen und Umsetzung des Staatsvertrags sowie mit der sowjetischen Besatzungspolitik in Österreich.
1.000-Seiten-Band zum Staatsvertrag
Der von Stourzh und seinen Historiker-Kollegen Arnold Suppan und Wolfgang Mueller herausgegebene 1.000-Seiten-Band zum Staatsvertrag ist Ergebnis einer Konferenz der Akademie der Wissenschaften im Mai.

In 33 Beiträgen befassen sich Historiker und Zeitzeugen mit der Haltung der Westalliierten, der Sowjetunion und der Nachbarstaaten zum Staatsvertrag, sowie mit dessen "Durchführungsgeschichte" - etwa im Bereich Minderheitenschutz und Entnazifizierung.
Der Konflikt Chruschtschow - Molotow
Unter anderem schildert Rostislav Sergeev, seinerzeit Mitarbeiter des sowjetischen Außenministeriums, den Durchbruch zum Staatsvertrag aus sowjetischer Sicht und berichtet vom offenen Konflikt zwischen Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow und Außenminister Wjatscheslaw Molotow.

Die "Flexibilität" des neuen Führers Chruschtschow habe nach Stalins Tod nicht nur in der Staatsvertrags-Frage auch viele westliche Staatskanzleien überrascht, urteilt Stourzh.
Staatsvertrag: Abschluss war nicht selbstverständlich
Stouzh sieht den Staatsvertrag und die Neutralität als sowjetische Antwort auf die West-Integration der BRD. Co-Herausgeber Arnold Suppan verweist darauf, dass sein Zustandekommen keineswegs selbstverständlich war.

So hatte die Sowjetunion noch im Februar 1955 darauf bestanden, Österreich bis zu einem Friedensvertrag mit Deutschland besetzt zu halten - ein offizieller Friedensvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion wurde jedoch nie geschlossen.
Historische Verbindung zu Warschauer Pakt
Auf den engen Zusammenhang des Staatsvertrages mit der Gründung des Warschauer Paktes verweist Wolfgang Mueller, der für sein Buch über die sowjetische Besatzung in Österreich jahrelang in russischen Archiven recherchierte.

Mit einem Abzug aus Österreich wären die Sowjets nämlich theoretisch verpflichtet gewesen, auch ihre Truppen aus Ungarn abzuziehen.

Daher die Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955, dem Tag nach der Gründung des Warschauerpaktes, der die sowjetische Truppenpräsenz in Osteuropa auf eine neue völkerrechtliche Grundlage stellte.
Dokumente als gesonderte Publikation
Besonders für ein Fachpublikum von Interesse ist die parallel zu Muellers Buch erschienene Dokumentation, die 101 sowjetische Dokumente zum Thema umfasst - unter anderem Weisungen Stalins und den Briefwechsel zwischen der KPÖ-Führung und dem Sowjet-Diktator.

[science.ORF.at/APA, 17.11.05]
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Literaturhinweise
Suppan, Stourzh, Mueller (Hg): "Der österreichische Staatsvertrag: Internationale Strategie, rechtliche Relevanz, nationale Identität" Verlag der ÖAW, ISBN 3-7001-3537-8, 1.004 Seiten, 69 Euro;

Wolfgang Mueller, Arnold Suppan, et al. (Hg): "Sowjetische Politik in Österreich 1945-1955. Dokumente aus russischen Archiven", Verlag der ÖAW, ISBN 3-7001-3536-X, 1.119 Seiten, 98 Euro;

Wolfgang Mueller: "Die sowjetische Besatzung in Österreich 1945-1955 und ihre politische Mission" Böhlau Verlag, ISBN: 3-205-77399-3, 304 Seiten, 39 Euro.
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->   Gedenkjahr 2005 in science.ORF.at
->   2005.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010