News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Österreichs EU-Präsidentschaft: Eine Entzauberung?  
  Als Österreich 1998 erstmals die Präsidentschaft der EU übernahm, überwog eine positive Grundeinstellung. Heute, knapp vor der zweiten österreichischen EU-Präsidentschaft, hat sich das ziemlich gewandelt. Anlässlich einer Tagung am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien nimmt sich die Politologin Elsa Hackl dem Status Quo des Verhältnisses EU-Österreich an.  
Die zweite österreichische EU Präsidentschaft
Von Elsa Hackl

Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 wird Österreich die Präsidentschaft der Europäischen Union innehaben. Seit seinem Beitritt ist Österreich damit zum zweiten Mal an der Reihe als Vorsitzland des Rates zu fungieren und dessen Arbeitsprogramm ein halbes Jahr lang festzulegen.

Als Hauptaufgaben des Präsidentschaftslandes listet das Bundeskanzleramt in seiner Homepage folgendes auf: Organisation und Durchführung sämtlicher Ratstreffen, Vertretung des Rates im Zusammenwirken mit anderen EU-Organen, Vertretung der EU gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen.

Daneben gibt es aber eine Reihe informeller Konferenzen, Tagungen und Treffen, die vom jeweiligen Vorsitzland organisiert werden. Dieses, so ist es üblich, präsentiert sich dabei auch den anderen EU Staaten möglichst vielfältig. Daher wird Österreich auch in den Bundesländern Veranstaltungen durchführen.
Aufregung und Freude war 1998 größer
In der zweiten Hälfte 1998 hatte Österreich zum ersten Mal die EU Präsidentschaft übernommen. Damals, so scheint es, war in Österreich die Aufregung vor und auch die Freude an dieser Aufgabe größer.

Das hatte selbstverständlich damit zu tun, dass es eine Premiere und eine neue Aufgabe für Politik und Verwaltung war - und noch dazu eine, die es erlaubte dem Hang zum Repräsentieren zu frönen.
Damals noch positive Stimmung
Die größere Begeisterung hatte auch damit zu tun, dass der Beitritt, der mit großer Zustimmung der Bevölkerung beschlossen wurde, erst drei Jahre zurücklag, und Regierung und Bevölkerung im großen und ganzen eine positive Haltung gegenüber der EU einnahmen.

Zwar hatte kein Haushalt den inzwischen viel zitierten Tausender Ersparnis pro Monat, den die damalige Frau Staatssekretärin vor dem Beitritt versprochen hatte, gesichtet und auf die hohe Kante legen können, aber schlechter, so scheint es den meisten ÖsterreicherInnen vorgekommen zu sein, war es auch nicht geworden.
Enttäuschungen sollten erst folgen
Auch auf EU Ebene war man noch guten Mutes, denn viele Niederlagen hatte man noch vor sich. Das Gerangel um den Gipfel von Nizza, sein eher enttäuschender Ausgang und die Ablehnung des Nizza-Vertrages durch Irland lagen ebenso noch in der Zukunft wie das Debakel um die EU-Verfassung.

Die Arbeitslosigkeit war zwar am Steigen, aber noch bestand die Hoffnung, dass sie eingedämmt werden könnte. Die BürgerInnen schätzten die EU als Versuch der wirtschaftlichen Globalisierung ein politisches Regelinstrument gegenüberzustellen und sahen sie vielleicht weniger als später als Liberalisierungsmotor.
Nun überwiegen negative Erfahrungen
Sieben Jahre später prägen negative Erfahrungen das Bild: In Österreich konnten wegen der Sanktionen gegen die blau-schwarze Koalition nationale Gefühle mobilisiert werden. Der Euro wird vielen Orts als Teuro gesehen.

Auch beförderte der Schmäh der Regierungen, unbeliebte politische Maßnahmen der EU zuzuschieben und beliebte der eigenen Kraft, oder das Durchsetzungsvermögen nationaler Interessen gegenüber den EU Bestimmungen zu überschätzen, nicht gerade die Beliebtheit der EU.

Jüngste Beispiele davon sind die Urteile des Europäischen Gerichtshofs betreffend die österreichische Transitpolitik oder den Hochschulzugang.
Legitimationsfragen: Von der Wirtschaft ...
Die Europäische Union, deren Legitimation der wirtschaftliche Erfolg ist, hat - als dieser nachließ - an jener eingebüßt. Kommen die oben angeführten negativen Eindrücke nun daher, dass die EU es nicht - oder nur unzulänglich - unternahm, ihre wirtschaftliche Legitimationsbasis zu ergänzen oder kommt der neue Euroskeptizismus daher, dass eine solche Erweitung von den BürgerInnen gar nicht (mehr) gewünscht wird?
... bis zur Identität
Trägt der Prozess, wie die Erweiterung vor sich geht, dazu bei, dass eine politische Vertiefung der Union nicht mehr möglich scheint? Sind die nationalen Budgets so angespannt, dass der kleinste gemeinsame Nenner der EU-Mitgliedsstaaten darin besteht, dass jedes Land soviel aus dem EU Budget zurückbekommt wie es hineinzahlt?

Führt der ständige Vergleich mit den USA und China und das Konstatieren, dass Europa bereits in allem nachhinke, zu einem Vertrauensverlust in Europa - also wird gerade das Gegenteil dessen bewirkt, was angestrebt ist?

Oder schürt die beschworene Konkurrenzfähigkeit und Kritik gar die Befürchtung, dass auch die europäischen Sozialsysteme und Gesellschaftsmodelle ausgedient haben?
Zukunft einer supranationalen Konstruktion
Der Zustand der EU legt nahe, dass es bei der zweiten österreichischen EU Präsidentschaft wenig ums Repräsentieren gehen wird. Im Grunde geht es um viel, nämlich darum, wie diese supranationale Konstruktion sui generis, ihre Einzigartigkeit erhält und hoffentlich entwickelt.

Nicht alles dafür Erforderliche wird während des österreichischen Vorsitzes erledigt werden können. Welche Bereiche die österreichische Bundesregierung als prioritär erachtet, wird aus ihrem Arbeitsprogramm für die Präsidentschaft, das zu deren Beginn vorgelegt wird, hervorgehen.
Tagung in Wien
Das Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien hat aus diesem Anlass Experten, die in leitender Position die Präsidentschaft vorbereiten und an dieser mitwirken, zu einer Vortragsreihe eingeladen.

Dabei sollen die außenpolitischen Schwerpunkte der österreichischen Präsidentschaft (Lateinamerika?, Russland?, die Balkanstaaten?), die Forschungspolitik (wie wird das 7.Rahmenprogramm ausschauen?, welchen Stellenwert haben die verschiedenen Disziplinen?), die Wirtschaftspolitik (wie wird das EU Budget ausschauen? wie wird sich die EU zu weiteren WTO Verhandlungen verhalten?) sowie die Themen des Europäischen Rates, der die Leitlinien der EU Politik vorgibt, behandelt werden.

Die Vortragsreihe findet vom Montag, den 21.11. bis Donnerstag, den 22.11. statt und steht den Studierenden und allen InteressentInnen offen. Ort: Institut für Politikwissenschaft, Universitätsstraße 7, 1010 Wien, 2. Stock, Hörsaal 1.

[19.11.05]
...
Über die Autorin
Dr. Elsa Hackl lehrt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.
->   Elsa Hackl, Universität Wien
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010