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Falsches Ei im Vogelnest für stressfreie Blutabnahme  
  Deutsche Biologen haben eine ebenso elegante wie trickreiche Methode entwickelt, um Vögeln stressfrei Blut abzunehmen. Sie nutzen dazu eine Raubwanze, die sie den Federtieren im wahrsten Sinne des Wortes unterschieben: in einem präparierten Ei.  
Die Forscher haben das Verfahren erfolgreich in einer Seeschwalbenkolonie am Banter See in Wilhelmshaven getestet.

Peter Becker von der "Vogelwarte Helgoland" in Wilhelmshaven und Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin berichten zusammen mit Kollegen darüber im Band 147 (2006) des "Journal of Ornithology".
Hungrige Wanze sitzt im "Überraschungsei"
 
Bild: Christian Voigt / IZW

Normalerweise müssen frei lebende Vögel erst gefangen werden, um ihnen mit Kanülen Blut abnehmen zu können. Die ganze Prozedur ist nicht stressfrei für die Tiere.

Die Raubwanze Dipetalogaster maximus dagegen erledigt die Aufgabe völlig unbemerkt von den Vögeln.

Das Blut saugende Insekt sitzt in einem manipulierten Vogelei aus Kunststoff. Dieses Ei weist eine kleine ovale Öffnung auf, die mit einem feinen Netz versehen ist (siehe Bild).
In einer halben Stunde ist alles vorbei
Die Forscher tauschten jeweils ein ganzes Gelege mit künstlichen Eiern aus, wovon eines ausgehöhlt und mit einer hungrigen Raubwanze bestückt war.

Die brütenden Vögel bemerkten offenbar nichts davon und setzten sich auf die falschen Eier.

Durch das Netz hindurch konnte die Wanze zustechen und Blut saugen. Die Wanzen brauchten für ihre Mahlzeit rund zehn bis dreißig Minuten.
Blut per Punktion aus dem Wanzen-Kropf
 
Bild: Christian Voigt / IZW

Der darauf folgende Rücktausch der Eier ging problemlos vonstatten - damit hatten die Wissenschaftler eine Blutprobe, die sie per Punktion aus dem Kropf der Wanze (siehe Bild) entnahmen.

Es gelang den Wissenschaftlern, von 59 brütenden Flussseeschwalben (Sterna hirundo) insgesamt 78 Blutproben zu erhalten. 68 dieser Proben wiesen mehr als 100 Mikroliter Plasma auf - genug, um es zu analysieren.
Stressfrei Hormonspiegel ermitteln
Das Wissenschaftlerteam wollte anhand von Hormonen und anderer chemischer Parameter im Blut ermitteln, welchen Stress die Elternvögel beim Brüten haben und ob dies von Faktoren wie Alter und Bruterfahrung abhängt.

Christian Voigt in der Aussendung des Berliner Forschungsverbundes: "Da sind die Wanzen einfach ideal, da jedwede konventionelle Probennahme Stress verursacht und dadurch die Stresshormone verfälscht. Wir haben keinerlei Reaktion der brütenden Vögel auf den Stich beobachtet."
Vögel blieben im Gelege
Voigt hat die Methode der Blutabnahme durch Wanzen entwickelt und bereits an zahlreichen anderen Tierarten getestet.

Was die Wissenschaftler besonders freut: Kein einziges der brütenden Paare, dem die Eier kurzzeitig vertauscht wurden, hat sein Gelege aufgegeben.

[science.ORF.at/IDW, 22.11.05]
->   "Journal of Ornithology"
->   "Vogelwarte Helgoland"
->   Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung
 
 
 
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01.01.2010