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Erste Moleküle aus Materie und Antimaterie?  
  US-Physiker berichten, dass sie erstmals so genannte Positronium-Moleküle hergestellt hätten: Diese bestehen aus zwei Elektronen und zwei ihrer positiv geladenen Zwillingsbrüder, den Positronen.  
Der Nachweis der extrem kurzlebigen Molekülart gelang einem Team um Allen Mills von der University of California durch die Messung von Strahlung, die bei der Vernichtung von Teilchen und Antiteilchen entsteht. Allerdings bestehen noch gewisse Zweifel an deren Realität: Die Messergebnisse lassen nämlich auch eine andere, weniger spektakuläre Deutung zu.
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Die Studie "Experiments with a High-Density Positronium Gas" von D. B. Cassidy et al. erschien im Fachjournal "Physical Review Letters" (Band 95, 195006; doi: 10.1103/PhysRevLett.95.195006).
->   Zur Studie
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Gleich - bis auf die Ladung
Antiteilchen sind gewissermaßen die Spiegelbilder der handelsüblichen Materie. Etwa das Positron. Es verhält sich genau so wie ein Elektron, nur dass es eben positiv statt negativ geladen ist.

Dasselbe gilt für alle anderen Mitglieder des Teilchenzoos: Jedes Teilchen, so wie wir es kennen, besitzt ein Alter Ego mit derselben Masse und dem gleichen Spin - lediglich die Ladung und die so genannten ladungsartigen Quantenzahlen sind quasi umgedreht (also positiv statt negativ und umgekehrt).

Kommen Teilchen und Antiteilchen zusammen, zerstören sie sich gegenseitig und setzen Energie frei, Paarvernichtung nennen das die Physiker.
->   Antiteilchen - Wikipeda
Positronium: Hybrider "Wasserstoff"
Dass es so etwas wie Antiteilchen geben kann, wurde bereits 1928 vom britischen Theoretiker Paul Dirac vorhergesagt. Der Nachweis des Antielektrons - der alte Name für Positron - gelang bereits vier Jahre später via kosmischer Höhenstrahlung.

1951 stellte man durch Beschuss eines Gases mit Positronen ein weitaus komplexeres System mit Antimaterie her. Eines, das auf den ersten Blick dem normalen Wasserstoff ähnelt: Im so genannten Positronium (kurz: Ps) ist der Atomkern des Wasserstoffs, also das Proton, durch ein Positron ersetzt, während das Elektron unverändert bleibt.

Das ist freilich nur ein sehr mangelhafter Ersatz: Denn erstens ist das Positron 1.836 Mal leichter als das Proton, und zweitens ist das so entstehende Gebilde extrem instabil, weil das Teilchenpaar seine gegenseitige Vernichtung anstrebt.

Dennoch kann man es so einrichten, dass Elektron und Positron für kurze Zeit um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen und so eine Art Chimäre aus Teilchen-Antiteilchen bilden, eine äußerst leichte zwar, aber immerhin.
->   Positronium -Wikipedia
Positronium-Gas in Nanoporen verdichtet
Als nächster Schritt bei der Herstellung solcher Materie bietet sich die Herstellung eines zweiatomigen Moleküls an.

Die Schwierigkeit bei einem solchen Experiment war bisher, dass man ein sehr dichtes Positronium-Gas braucht, damit sich die beiden "Atome" für eine Wechselwirkung nahe genug kommen. Einem Team um Allen Mills von der University of California dürfte nun hier ein Durchbruch gelungen sein:

Die US-Physiker beschossen einen Siliziumfilm mit Positronen, woraufhin sich Elektronen aus dem Material lösten und mit diesen kurzzeitig zu Positronium vereinigten. Der Trick dabei: Der Siliziumfilm war mit Nanoporen ausgestattet, in dem die hybriden Atome gewissermaßen gefangen wurden. Damit war die erforderliche räumliche Nähe für etwaige Molekülbildungen gegeben.
Nachweis nicht lückenlos
Der - mögliche - Nachweis wurde auf indirekte Weise erbracht: Mills und Mitarbeiter maßen die Menge an Gammastrahlung, die durch die Paarvernichtung entsteht, und entdeckten, dass ab einer kritischen Dichte die Strahlung größer war, als es bei einzelnen Ps-Atomen zu erwarten wäre.

Sie interpretieren die Zunahme der Strahlung als Folge kurzeitiger Molekülbildung. Das hybride Gebilde hätte dann - wie der molekulare Wasserstoff H2 - die Formel Ps2.

Allerdings lassen sich die Ergebnisse auch profaner deuten: Die Strahlung könnte auch durch kleine Risse oder andere Fehler im Siliziumfilm bewirkt worden sein, betonen Mills und Kollegen. In den Berechnungen sei man nämlich von perfekt gestalteten Nanoporen ausgegangen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 23.11.05
->   Website von Alan Mills, Univ. of California
 
 
 
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01.01.2010