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WHO-Studie: Jede dritte Frau weltweit Opfer von Gewalt  
  Eine von drei Frauen wird im Lauf ihres Lebens mindestens ein Mal zum Opfer von Gewalt. In Äthiopien, Peru und Tansania wurden zwischen 50 und 75 Prozent der Frauen physisch oder sexuell angegriffen, meist von ihrem aktuellen oder einem vergangenen Partner. Gefragt sei die Politik, um die Einstellung zu Gewalt zu ändern und mehr Hilfsangebote zu schaffen, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer aktuellen Studie.  
Insgesamt 24.000 Interviews mit 15- bis 49-jährigen Frauen in zehn Ländern wurden für die am Donnerstag präsentierte Studie geführt.

Mit den Daten zur Situation in Thailand, Namibia, Samoa, Brasilien, Äthiopien, Bangladesch, Tansania, Japan, Peru sowie Serbien und Montenegro hofft die WHO, auch andere Staaten zu mehr Aufklärung und Gegenmaßnahmen bewegen zu können.
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Die Ergebnisse der Studie wurden unter dem Titel "Violence against Women" von Claudia Garcia-Moreno (WHO) und Kolleginnen in "Science" (25.11.2005, Band 310, S. 1282f) präsentiert. Die gesamte Studie findet sich auf der Website der WHO zum Download.
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Australien: Gewalt häufigste Todesursache von Frauen
Schon bisherige Studien haben gezeigt, dass Gewalt gegen Frauen ein weit verbreitetes Problem ist: Im australischen Bundesstaat Victoria hat eine Untersuchung gezeigt, dass Gewalt die häufigste Todesursache von Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter ist - häufiger als jeder andere Risikofaktor wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Rauchen.
Bis zu 71 Prozent bereits einmal von Gewalt betroffen
Die WHO hat nun in 15 Regionen erhoben, wie stark Frauen von Gewalt betroffen sind und wie ihre Einstellung dazu aussieht.

Die Bandbreite ist dabei sehr groß: Zwischen 15 und 71 Prozent der Frauen gaben an, bereits einmal Opfer von Gewalt geworden zu sein, bis zu 50 Prozent der Interviewpartnerinnen gaben an, ständig gewaltsame Übergriffe zu erleben.
Mehr Gewalt am Land
 
Bild: Science/WHO

Die Unterschiede zwischen den Ländern und Regionen sind groß (siehe Grafik oben): Generell gibt es am Land mehr Gewalt als in urbanen Gegenden, und auch der Grad der wirtschaftlichen Entwicklung scheint eine Rolle zu spielen.

Generell scheint es für Frauen in industrialisierten Regionen einfacher zu sein, ihren gewalttätigen Partner zu verlassen, als am Land.
Schwangerschaft kein Schutz
Auch eine Schwangerschaft, meist eine Zeit, in der Frauen als besonders "schützenswert" gelten, bietet keinen Schutz vor Gewalt: Bis zu 28 Prozent der interviewten Frauen berichteten von Übergriffen während der Schwangerschaft, zu 90 Prozent wurden sie vom Vater des Kindes ausgeübt.
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Massive gesundheitliche und ökonomische Folgen
Die gesundheitlichen Auswirkungen sind massiv: Die misshandelten Frauen berichten von diffusen Schmerzen, Gedächtnisstörungen und Schwindelanfällen sowie entweder angedachtem oder versuchtem Selbstmord.

Die Studie "Costs of Intimate Partner Violence Against Women in the United States" kalkulierte sogar den ökonomischen Schaden, der durch Gewalt an Frauen allein in den USA entsteht: Jährlich würde demnach ein Schaden von 5,8 Milliarden Dollar entstehen, 4,1 Mrd. davon allein durch die Behandlung von gesundheitlichen Auswirkungen.
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Gründe, um Gewalt hinzunehmen
Die WHO-Analyse beließ es aber nicht bei der Erhebung der Betroffenheit, sondern arbeitete auch die gesellschaftlichen Normen heraus, die es in den einzelnen Regionen zum Thema Gewalt an Frauen gibt.

Etwa in der Hälfte der Regionen zeigten sich zwischen 50 bis über 90 Prozent der Frauen überzeugt davon, dass es Gründe gäbe, die Gewalt rechtfertigen: bei Ungehorsam der Frau gegenüber dem Mann, Verweigerung von Geschlechtsverkehr, schlechter Haushaltsführung oder Untreue.
Traditionelle Geschlechternormen als Hauptgrund
Opfer von Gewalt waren eher bereit, Gründe zur Rechtfertigung zu finden - ein Zeichen dafür, dass sie den Missbrauch "rationalisieren" und entschuldigen wollen, so die WHO-Studie.

"Traditionelle Geschlechternormen" seien der Hauptgrund für die Häufigkeit von Gewalt, schlussfolgert die Studie. Hier müssten auch Kampagnen ansetzen und bewusst machen, dass es sich um ein gesellschaftliches Problem handle, für das es erprobte Gegenmaßnahmen in einem Mix von Gesetzen, Schulungen von Polizei und Gesundheitsbehörden und Zufluchtsorten für Frauen gebe.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 25.11.05
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->   US-Studie: Gewalt wie ansteckende Krankheit (27.5.05)
->   Gewaltlosigkeit kann erlernt werden (9.12.04)
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01.01.2010