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US-Studenten entwickeln lebendigen Fotofilm  
  US-amerikanische Studenten haben einen lebendigen Fotofilm entwickelt: Er besteht aus Kolibakterien, die durch genetische Modifikationen lichtempfindlich gemacht wurden. Bisher sind damit jedoch nur einfarbige Aufnahmen möglich.  
Dafür kann sich die Auflösung der "Koligrafien" durchaus sehen lassen: Auf einem Quadratzentimeter befinden sich rund 15 Millionen lichtempfindliche Elemente, berichtet ein Team um Christopher A. Voigt von der University of California in San Francisco.
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Die Studie "Synthetic biology: Engineering Escherichia coli to see light" von Anselm Levskaya et al. erschien im Fachjournal "Nature" (438, S. 441-442; doi:10.1038/nature04405).
->   Zum Abstract der Studie
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Wettbewerbsbeitrag
Zu Beginn stand ein vom Massachusetts Institute of Technology veranstalteter Wettbewerb, bei dem Studenten einfache biochemische Maschinen bauen sollten. "Das Ziel des Wettbewerbs war es, Bakterien herzustellen, die zu einfachen Kalkulationen fähig sind", erklärt Biochemiker Edward Marcotte, der die Studenten bei ihren Versuchen betreute.

"Kalkulationen" ist hier freilich sehr allgemein gemeint: Im vorliegenden Fall besteht sie darin, dass man Kolibakterien quasi mitteilt, ob sie einen gewisse Farbstoff produzieren - oder nicht. Und diese Mitteilung besteht aus einem simplen Lichtsignal.
->   Intercollegiate Genetically Engineered Machine Competition (MIT)
Lichtantennen in Mikroben eingebaut
Um das zu erreichen, muss man Escherichia coli einmal mit einem Sinn für Licht ausstatten, den das Bakterium natürlicher Weise nicht besitzt. Nahe liegender Ansatz: Man sieht sich an, wie das beispielsweise Bakterien und Pflanzen machen, die sich vom Licht ernähren bzw. sich daran orientieren. Im einen wie im anderen Fall sind daran Proteine beteiligt, die das Licht ähnlich einer Antenne auffangen.

Ein Beispiel dafür sind die so genannten Phytochrome, mit denen Pflanzen etwa Wachstum, Samenkeimung und Blütenbildung steuern. Auch Blaualgen, die zwar "Algen" heißen, aber eigentlich Bakterien sind, besitzen das Protein und regeln damit die Herstellung von Lichtschutz-Pigmenten.
->   Phytochrome (Uni Hamburg)
Bakterien reagieren auf Licht mit Braunfärbung

Genau diesen Lichtsensor bauten Biophysik-Student Anselm Levskaya und sein Betreuer Christian Voigt in die Kolibakterien ein. Und zwar, indem sie ihn mit einem Protein verbanden, mit dem die Bakterien normalerweise die umgebende Salzkonzentration messen.

Auf diese Weise wurden die Mikroben zwar mit einem Lichtsinn ausgestattet, konnten damit jedoch zunächst nichts anfangen. Erst als man den Sensor an ein Stoffwechselsystem koppelte, das im Dienst der Pigmentproduktion steht, konnten die Bakterien auf Bestrahlung "antworten": mit einer satten Braunfärbung.

An diesem Punkt realisierten die US-Studenten, dass sie eigentlich einen lebendigen Fotofilm konstruiert hatten, den sie nur mehr mit einer entsprechenden Belichtungsvorrichtung auszustatten brauchten. Die war schnell konstruiert (Bild rechts) - fertig war das weltweit erste mikrobielle Fotolabor.
Hohe Auflösung, lange Belichtungszeit
 
Bilder: Aaron Chevalier, University of Texas

Und so sehen die dergestalt produzierten "Koligrafien" aus: Farblich muss man sich noch mit Schwarzweiß-, bzw. eigentlich: Braungelb-Aufnahmen begnügen, und auch die Belichtungszeit ist mit 12 bis 15 Stunden nicht gerade für Schnappschüsse geeignet. Dafür ist die Auflösung durchaus beeindruckend. Sie beträgt nach Angabe der Autoren 100 Megapixel pro Quadratinch (rund 6,5 Quadratzentimeter).

Links zu sehen ein Bild, mit dem die Studenten der Zeitschrift "Nature" ihre Reverenz erwiesen, die ihre Studie veröffentlicht hat; in der Mitte einer ihrer Betreuer, Andrew Ellington; und rechts das so genannte "Flying Spaghetti Monster", mit dem US-Studenten gerne die kreationistischen Tendenzen in ihrem Land veräppeln.
->   USA: Religions-Parodie konkurriert Kreationisten
Anwendungen in der Biomedizin
Die Technologie ist indes nicht nur für fotografische Spielereien verwendbar, wie Edward Marcotte gegenüber science.ORF.at betont. Sie könnte dereinst auch in der medizinischen Gewebezüchtung oder für lithografische Zwecke eingesetzt werden.

Als nächsten Schritt planen die US-Forscher jedenfalls die Implementierung des Lichtschalterprinzips: Via Laser sollen dann einzelne Zellen manipuliert, gewissermaßen ein- oder ausgeschaltet werden.

Robert Czepel, science.ORF.at, 28.11.05
->   Marcotte Lab, University of Texas
->   Voigt Lab, University of California
 
 
 
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01.01.2010