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Keine Chancengleichheit an österreichischen Unis  
  Auch wenn Frauen seit 15 Jahren in Wissenschaft und Forschung gefördert werden, gibt es bis heute nur wenige Professorinnen und keine einzige Rektorin an einer österreichischen Universität. Die Hochschulforscherin Michaela Gindl analysiert in einem Gastbeitrag die Gründe und ruft die Unis dazu auf, auf der Suche nach wissenschaftlicher Exzellenz den Blick endlich auch auf die Forscherinnen zu lenken.  
Der entscheidende Karrierefaktor an den Universitäten heißt Geschlecht
Von Michaela Gindl

Österreich hat nun eine fast 15 Jahre dauernde Geschichte der Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung. Doch allen Maßnahmen und Initiativen zur Gleichstellung und Frauenförderung zum Trotz ist das biologische Geschlecht nach wie vor eine jener Variablen, die den Bildungsweg und in weiterer Konsequenz die Verbleibschancen an Universitäten zentral bestimmen.
Bruchsichere "Gläserne Decke"
Führungspositionen sind an den österreichschen Universitäten männlich dominiert, der Anteil der weiblichen Beschäftigten wird umso geringer, je höher man die Karriereleiter nach oben blickt. Frauen stoßen im Wissenschaftsbetrieb an eine "Gläserne Decke" unsichtbarer und komplexer Barrieren einer männerdominierten Organisation.

Diese Decke zeigt sich als nahezu bruchsicher. Und das, obwohl sich in den letzten Jahrzehnten das Geschlechterverhältnis in kaum einem anderen Bereich so massiv verändert hat wie an den Universitäten.
Mehr Frauen als Männer beginnen Studium ...
Erhöhte Zugänglichkeit für Frauen war zwar kein explizites Ziel der Hochschulpolitik der 1970er Jahre. Dennoch führte die Ausweitung der Partizipation am tertiären Bildungssystem zu einem stetigen Anstieg der Repräsentanz von Frauen.

Seit nunmehr zehn Jahren beginnen in Österreich sogar mehr Frauen als Männer ein Universitätsstudium, Frauen schließen dieses auch häufiger ab als ihre männlichen Kollegen.
... brechen aber auch häufiger ab
Studentinnen sind mit einer höheren Abbruchswahrscheinlichkeit konfrontiert als Studenten. Und sie nehmen deutlich seltener ein Doktoratsstudium auf bzw. schließen deutlich seltener ein solches ab als ihre männlichen Kollegen.

Noch größer wird die Schere, wenn man auf die Zahl der Habilitationen oder gar auf die Verteilung unter den Professuren blickt: der Anteil der Professorinnen liegt an Österreichs Universitäten knapp über acht Prozent; von einer Rektorin können wir bislang nur träumen.
Ein- und Ausschlussmechanismen behaupten sich zäh
Um dem Verschwinden von Frauen auf dem Weg nach oben - also der "leaky pipeline" - zu begegnen, wurden von staatlicher Seite eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die zu einem Anstieg der Frauenanteile in den unterschiedlichen Karrierestufen und zu einer Sensibilisierung für das Thema geführt haben (legistische Grundlagen und Institutionen, Individualförderungen wie z.B. Stipendien, Frauenförderpläne, institutionelle Verankerung von Frauenförderung und Gender Studies an Universitäten, etc.).

Es hat sich ein Diskurs der Gleichheit - gleiche Chancen bei gleicher Leistung - durchgesetzt. Die Alltagspraxis, die Charakteristika des Wissenschaftsbetriebs sind jedoch weiter von subtilen Ein- und Ausschlussmechanismen geprägt und letztere behaupten sich zäh.
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Dem Thema "Frauen an Universitäten in Österreich" widmet sich das "Hochschulpolitische Forum" am Mittwoch, 30. November 2005. Beginn: 18.00 Uhr, ORF KulturCafe, Argentinierstrasse 30a, 1041 Wien.
->   Alle Informationen zu TeilnehmerInnen und Thema in science.ORF.at
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Intransparente Förderbeziehungen
Ein wesentliches Charakteristikum des Arbeitsplatzes Universität ist, dass Karriere vom Zugang zu informellen Förderstrukturen abhängt. An den Universitäten sind personifizierte, intransparente Förderbeziehungen zwischen einer etablierten und einer erst in Ansätzen etablierten Person entscheidend.

Die Auswahl der geförderten Personen beruht vielfach auf einem subjektiven Wiedererkennungseffekt, d.h. ProfessorInnen beobachten die Studierenden vor der Folie ihrer eigenen Biographie.
Männer fördern lieber Männer
Demnach tendieren männliche Professoren - und das ist nun mal die Mehrzahl - dazu, Männer zu fördern. Frauen werden in diesem System der "homosozialen Kooptation" weniger gefördert, sie scheiden an den relevanten Statuspassagen vermehrt aus, haben weniger Zugang zu karriererelevanten Netzwerken und zu Publikationsmöglichkeiten.

Darüber hinaus orientieren sich universitäre Karriereverläufe an der Vorstellung einer (männlichen) Normbiographie, in der Vereinbarkeit von Beruf mit weiteren Lebenszielen, z.B. Familie, kaum Platz hat.
Männlicher Mythos vom "genialischen Wissenschaftler"
Es reicht auch nicht, formelle Leistungsanforderungen (etwa Dissertation, Habilitation) zu erfüllen. Der unausgesprochene Zugangscode zu wissenschaftlichen Karriereleiter lautet, sich dem "Mythos" von der richtigen Wissenschaft zu verpflichten, nach dem Wissenschaft kein Beruf, sondern eine Berufung ist, der man sich - von außerberuflichen vollkommen freigestellt - zu 150 Prozent hinzugeben hat.

Dieses Konstrukt der "genialischen wissenschaftlichen Persönlichkeit" hat kaum an Bedeutung eingebüßt, es trägt männliche Züge und erschwert Frauen, am wissenschaftlichen Spiel zu partizipieren.
Gleichstellung als Steuerungsinstrument
Der Blick in die Zukunft ist durchwachsen. Im Hinblick auf Gleichbehandlung hat das Universitätsgesetz 2002 die etablierten Standards weitgehend gehalten.

In welchem Ausmaß Gleichstellung ein Element der neuen Steuerungsinstrumente (Indikatoren, Leistungsvereinbarungen, Evaluierung, etc.) sein wird, bleibt abzuwarten.

Sicher ist, dass das neue Universitätsgesetz monokratische Entscheidungsstrukturen stärkt: Zusammen mit inexistener Personalentwicklung, mangelhafter Bereitschaft zum Management, zweifelhaften Führungskompetenzen und zudem noch einer erschütternden Sparpolitik nicht die ideale Basis für einen langfristigen kulturellen und organisationalen Wandel in Richtung Chancengleichheit.
"Wissenschaftliche Exzellenz": Männer und Frauen
Es wäre an der Zeit, dass sich die Universitäten eine substantielle Auseinandersetzung mit sich selbst als "gendered organisation" starten und dass auf die Genderkompetenz ihrer Führungskräfte geachtet wird.

Und Universitäten sollen endlich verstehen, dass sie ihre Mission der "wissenschaftlichen Exzellenz¿ nur dann erreichen, wenn sie die besten KandidatInnen für sich gewinnen - egal ob Männer oder Frauen.

[29.11.05]
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Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung "Hochschulforschung" der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) an der Universität Klagenfurt und der Koordinationsstelle für Frauenförderung und Gender Studies der Donau-Universität Krems.
->   Zur IFF-Abteilung für Hochschulforschung
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01.01.2010