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Innsbrucker Physiker erzeugen erstes Quanten-Byte  
  Innsbrucker Physiker haben erstmals ein so genanntes Quanten-Byte erzeugt: Es besteht aus acht einzelnen, miteinander verschränkten Kalzium-Ionen, die für Rechnungen zur Verfügung stehen.  
Für Rainer Blatt ist dies ein "wichtiger Schritt auf dem Weg zum Quantencomputer". Er ist Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck und war Leiter der Experimente.
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Die Studie "Scalable multiparticle entanglement of trapped ions" ist in "Nature" (Bd. 438, S. 643; Ausgabe vom 1. Dezember 2005) erschienen.
->   Nature
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Magnetspeicher stoßen an ihre Grenzen
Ein Byte besteht definitionsgemäß aus acht Bits, also acht Ja/Nein-Entscheidungen. In der herkömmlichen Informationstechnologie ist mit einem Byte die Darstellung von 256 Zeichen - wie Buchstaben, Zahlen etc. - möglich, weshalb diese Einheit ursprünglich auch gewählt wurde.

In herkömmlichen Computern werden Bits und Bytes beispielsweise auf Magnetschichten gespeichert. Seit Jahren und Jahrzehnten werden die für ein Bit benötigten Flächen immer kleiner.

Schon bald wird man mit dieser Miniaturisierung auf physikalisch bedingte Grenzen stoßen. Technologen arbeiten daher weltweit an alternativen Konzepten.
Bits versus Quanten-Bits
Beim Quantencomputer, der in bescheidenen Ansätzen in Labors bereits funktioniert, dienen einzelne Teilchen - Lichtteilchen (Photonen) oder geladene Atome (Ionen) als kleinste Einheit.

Die grundlegenden Eigenschaften der Quanten sind es auch, welche diesen Computer zu einem völlig neuen Konzept machen.

Da ist einmal die so genannte Überlagerung: Im Gegensatz zu herkömmlichen Speichern können Quanten nicht zur zwei Zustände (etwa 0 und 1) sondern mehr oder weniger beliebig viele annehmen. Die kleinste Informationseinheit ist daher nicht ein Bit, sondern ein Qubit (für Quanten-Bit).
->   Information nach Quanten-Art (16.4.01)
Acht verschränkte Kalzium-Ionen
 
Bild: IQOQI

Eine weitere Spezialität der Quantenwelt, welche Wissenschaftler für Rechenoperationen nutzen, ist die Verschränkung. In diesem Zustand sind Teilchen wie durch Zauberhand mit einander verbunden. Manipuliert man eines, wirkt sich das augenblicklich auf die anderen aus.

Für die aktuelle Veröffentlichung arbeiteten Blatt und seine Mitarbeiter mit acht Kalzium-Ionen, die in einer Reihe hintereinander in einer elektromagnetischen Falle platziert wurden.

Durch gezielte Manipulationen mit Lasern schafften es die Physiker, die acht Ionen in so genannten W-Zuständen zu verschränken. Im Bild oben sind sie zu sehen - gefangen in einer Paul-Falle.
->   Paul-Falle (Wikipedia)
650.000 verschiedene Messungen nötig
An gezielte Rechnungen war vorerst nicht zu denken. Die Wissenschaftler waren damit beschäftigt, zu überprüfen, ob die Verschränkung für alle acht Teilchen tatsächlich vollständig war.

Dafür mussten 650.000 verschiedene Messungen durchgeführt werden, um die acht Qubits und ihre möglichen Zustände durch Zahlen beschreiben zu können. Allein dieser Messprozess habe über zehn Stunden in Anspruch genommen, berichteten die Innsbrucker Physiker.

Die Berechnung der Zahlen und deren Umsetzung in eine grafische Darstellung habe auf einem Hochleistungscomputer der Uni Innsbruck gleich mehrere Wochen gedauert.
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"Greenberger-Horne-Zeilinger"-Zustände
In der gleichen Ausgabe von "Nature" berichten US-Forscher von ähnlichen Experimenten. Dietrich Leibfried von der Universität in Boulder und seinem Team gelang die Herstellung von so genannten "Greenberger-Horne-Zeilinger"-Zuständen mit sechs Beryllium-Atomen. Die Studie heißt "Creation of a six-atom 'Schrödinger cat' state" (Bd. 438, S. 639).
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Ionenfallen: Weg zu Quantencomputern
Schon das deute die hohe Überlegenheit der Quanteninformationsverarbeitung gegenüber herkömmlichen Computern an.

"Was mit den acht Qubits in etwa einer Millisekunde passiert, kann mit einem normalen Rechner nur in vielen Stunden berechnet und charakterisiert werden", erklärte Blatt.

Ionenfallen sind nach Ansicht des Forschers derzeit auch der vielversprechendste Ansatz zur Verwirklichung des Quantencomputers.

[science.ORF.at/APA, 30.11.05]
->   Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (ÖAW)
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01.01.2010