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EU-Studie: Psychische Störungen weit verbreitet  
  Rund jeder vierte EU-Bürger hat seit 1990 an einer psychischen Störung gelitten. Zu diesem Ergebnis gelangt eine aktuelle Meta-Studie der Technischen Universität Dresden, teilte die Hochschule am Dienstag mit.  
Danach erkranken etwa 83 Millionen EU-Bürger (27 Prozent) innerhalb von willkürlich heraus gegriffenen zwölf Monaten an einer oder mehreren Störungen von Alkoholabhängigkeit bis Zwangssyndromen.

Jeder zweite Mensch in der EU erkrankt im Laufe seines Lebens mindestens einmal psychisch. Den Angaben zufolge handelt es sich um die weltweit größte und umfassendste Bestandsaufnahme zur psychischen Gesundheit in Europa.
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Weltweit größte Bestandsaufnahme
Die im Auftrag des European College of Neuropsychopharmacology (ECNP) Amsterdam und des European Brain Council (EBC) Kopenhagen erarbeitete Studie berücksichtigt Daten von 150.000 Betroffenen aus 27 Ländern.

Über 100 Experten aus 26 Staaten arbeiteten daran mit. Die Untersuchung dient nach Angaben des Projektleiters Hans-Ulrich Wittchen (TU Dresden) als Grundlage für eine Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur stärkeren Förderung von psychischer Gesundheit.
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Frauen häufiger betroffen als Männer
Depressionen und Phobien waren mit 6,9 Prozent beziehungsweise 6,5 Prozent am weitesten verbreitet. Eine von zwei Personen litt mit hoher Wahrscheinlichkeit an mehreren Störungen. Frauen sind weit häufiger betroffen als Männer:

Jede dritte Frau (33 Prozent) und knapp jeder fünfte Mann (22 Prozent) wird im Laufe eines Jahres mindestens einmal psychisch krank. Nur Leiden infolge Alkohol- und Drogenmissbrauchs und psychotische Störungen sind bei Männern weiter verbreitet als bei Frauen. Psychisch am anfälligsten waren Frauen in der Pubertät: 35 Prozent klagten über psychische Leiden.
Hohe Kosten durch Arbeitsunfähigkeit
Die Mehrzahl aller Ausfalltage pro Jahr wegen Arbeitsunfähigkeit hat psychische Störungen und nicht körperliche als Ursache, belegt die Studie.

Dieser Umstand verursacht jedes Jahr Kosten von fast 300 Milliarden Euro, darunter allein 132 Milliarden Euro für vorgezogenen Ruhestand oder Ausfalltage, ergaben Analysen von ECNP und ECB. Medikamentöse Therapien, die am häufigsten angewandte Behandlung, machten davon nur vier Prozent aus.
Nur 26 Prozent erhalten Behandlung
Kritisch kommentiert wurde die geringe Behandlungsquote in fast allen EU-Ländern. Danach erhalten - mit geringen regionalen Unterschieden - nur 26 Prozent aller Betroffenen irgendeine Behandlung. Noch weniger bekommen eine adäquate Therapie.
Erkrankungsrate konstant geblieben
"Solch eine niedrige Behandlungsrate konnte bisher in keinem Bereich der Medizin beobachtet werden", sagte Co-Autor Frank Jacobi. Stigmatisierung psychischer Störungen könne nicht allein als Erklärung dienen.

Mit Ausnahme von Depressionen und Suchterkrankungen ist die Rate psychischer Krankheiten in der EU im untersuchten Jahrzehnt konstant geblieben.

[science.ORF.at/APA/dpa, 7.12.05]
->   European College of Neuropsychopharmacology
->   European Brain Council
 
 
 
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01.01.2010