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Verbotsgesetz: Hintergründe der aktuellen Regelung  
  Spätestens seit der Festnahme des britischen Holocaust-Leugners David Irving wird wieder über das Verbotsgesetz diskutiert. Eine aktuelle Studie erklärt die historischen Zusammenhänge bei der Gesetzesentstehung .  
Irving-Prozess: Grundlage Verbotsgesetz
David Irving wird voraussichtlich im Februar 2006 in Österreich ein Prozess wegen Leugnung von nationalsozialistischen Verbrechen gemacht werden.

Die Grundlage für das Vorgehen gegen Irving, der zur Zeit in Wien in Untersuchungshaft sitzt, ist das Verbotsgesetz.
Arbeit eines Salzburger Juristen
Bereits seit den umstrittenen Äußerungen der heimischen Politiker Kampl und Gudenus gibt es in Österreich die Diskussion, wie zeitgemäß dieses Gesetz aus dem Jahr 1945 noch ist.

Der Salzburger Jurist Felix Müller hat nun ein wissenschaftliches Werk zu dem Thema "Das Verbotsgesetz im Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit" herausgebracht.
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"Das Verbotsgesetz im Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit" von Felix Müller ist im "Verlag Österreich" erschienen.
->   Zum "Verlag Österreich"
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Urfassung mit nur drei Paragraphen
Die Urfassung des Verbotsgesetzes datiert vom 8. Mai 1945 und hatte drei Paragraphen, die das Verbot der NSDAP, die Aberkennung ihrer Mandate und das Verbot der nationalsozialistischen Wiederbetätigung festschrieben. Sie gelten bis heute.
1947 "Wiederbetätigung" geregelt
Die Paragraphen 4 und die folgenden kamen etwas später dazu: Sie betrafen den Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten. 1947 wurde der Paragraph 3, also die NS-Betätigung, im Volksmund "Wiederbetätigung" genannt, in sieben Unterparagraphen aufgespalten.
1992: Novellierung des Verbotsgesetzes
1992 schließlich kam ein weiterer Paragraph dazu, der die Leugnung der NS-Verbrechen und des Holocausts unter Strafe stellt - auch wenn der Betreffende nicht die Wiederaufrichtung der NSDAP oder einer gleich gesinnten Gruppe im Sinn hat.

Und dieser Paragraph des Verbotsgesetzes zählt auch zu den häufigsten Delikten, die von den Gerichten im Zusammenhang mit NS-Betätigung untersucht werden, sagt Felix Müller.
1945: Abgrenzung Österreichs gegen Nazi-Regime
Der Salzburger Jurist, der am Zentrum für Europäische Studien in Straßburg arbeitet, hat das "Verbotsgesetz im Spannungsverhältnis zur Meinungsfreiheit" wissenschaftlich untersucht.

1945 war weniger die Meinungsfreiheit ein Thema, als die Abgrenzung des neuen Österreich gegen das NS-Regime, sagt Felix Müller.
Bis heute Verfassungsrealität
"Damals war es eine wichtige Abgrenzung zum NS-Regime. Man könnte natürlich, gäbe es dieses Gesetz heute nicht, darüber diskutieren, ob es heute noch Sinn haben würde, ein so scharfes Gesetz zu erlassen.

Aber ein Gesetz ist eben so lange in Kraft, solange es nicht aufgehoben wird. Es ist Verfassungsrealität", erklärt Müller im Gespräch mit Ö1.
1992 Strafausmaß reduziert
Der britische Historiker David Irving sitzt seit Mitte November 2005 in Österreich in Untersuchungshaft. Er wird wegen Leugnung des NS-Holocausts angeklagt werden. Ihm droht eine Haftstrafe von einem bis zu zehn Jahren.

Vor der Novelle 1992 war die Mindeststrafe zehn Jahre, im Original 1945 sogar lebenslänglich, weswegen viele Richter mit Schuldsprüchen zurückhaltend waren.
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Regelungen gegen demokratiefeindliche Ideologien
Andere Länder kennen diese Art von Gesetz nicht, und sogar die Bundesrepublik Deutschland hat kein spezifisches NS-Verbotsgesetz. Dafür gibt es im deutschen Grundgesetz andere Paragraphen.

Müller: "Sie richten sich generell gegen demokratiefeindliche Ideologien. Österreich hingegen ist keine 'wehrhafte Demokratie' im engeren Sinn, sondern eine 'antinationalsozialistische Demokratie'."
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Keine "umfassende" Regelung in Österreich
In Österreich existiert eine solche Ausweitung nicht, meint der Jurist Felix Müller im ORF Radio: "Die sowjetische Besatzungsmacht wollte 1945 alles verbieten lassen, was 'faschistisch', das heißt antikommunistisch ist, aber die Österreicher und die anderen Alliierten waren dagegen."

Und Versuche, andere totalitäre Ideologien wie zum Beispiel den Kommunismus unter Strafe zu stellen, wurden in Österreich nicht unternommen.

Martin Haidinger, Ö1 Wissenschaft, 7.12.05
->   Mehr zum Verbotsgesetz bei der "Forschungsstelle Nachkriegsjustiz"
->   Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
 
 
 
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01.01.2010