News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Studie: Weniger Schmerzen durch Blick ins Gehirn  
  Eine neue Therapieform haben US-amerikanische Ärzte bei chronischen Schmerzen mit Erfolg ausprobiert. Sie baten die Patienten, ihre Schmerzen weg oder anders zu denken, und zeigten ihnen gleichzeitig Bilder der sich verändernden Gehirnaktivität. "Objektive" Aufnahmen des Gehirns ließen die Patienten stärker an die Beeinflussbarkeit ihres Schmerzempfindens glauben.  
Die Forscher rund um Christopher deCharms von der Stanford University und Kollegen setzen bei ihrem Test auf zeitechte funktionelle Magnetresonanztomografie.

Noch während die Versuchspersonen ihre Schmerzen per Gedanken zu beeinflussen versuchten, konnten sie "live" am Bildschirm miterleben, wie das zuständige Zentrum im Gehirn auf diese Bemühungen reagiert.
...
Die Studie "Control over brain activation and pain learned by using real-time functional MRI" von Christopher deCharms und Kollegen erscheint zwischen 12. und 16. Dezember 2005 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Band 102, S. 18626-18631, doi:10.1073_pnas.0505210102).
->   Zur Original-Studie (sobald online)
...
Kontrolle von Gehirn und Schmerzen
Am Anfang der Studie standen zwei Fragen: "Können Menschen mit chronischen Schmerzen lernen, die Aktivität eines bestimmten Zentrums im Gehirn zu kontrollieren?" und "Wenn ja, kann durch diese Fähigkeit auch das Schmerzempfinden kontrolliert werden?"

Beide Fragen müssten mit "Ja" beantwortet werden, schreiben die Wissenschaftler. Sie sprechen sogar von der Möglichkeit, mit Hilfe einer relativ neuen Technologie eine neue Therapie zur Behandlung von Schmerzen zu entwickeln.
Erwartung beeinflusst Schmerzempfinden
Grundsätzlich ist die Macht der Einbildung gerade beim Empfinden von Schmerzen bekannt: Erst im September 2005 publizierten ebenfalls US-Forscher eine Studie, dass die Erwartungshaltung, mit der ein Patient der bevorstehenden Pein entgegentritt, maßgeblich das subjektive Empfinden prägt.

Werden Versuchspersonen auf heftige Schmerzen vorbereitet, spüren sie sie auch dann stärker, wenn sie eigentlich nur schwach sind.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
Gedankenkraft während Tomografie
 
Bild: PNAS

Die Forscher um Christopher deCharms wollten sich diese Fähigkeit zur "Selbstprogrammierung" zu nutze machen und durch moderne Technologie unterstützen. Konkret setzten sie auf funktionelle Magnetresonanztomografie, die in "Echtzeit" eingesetzt wurde.

Während der Tomografie sollten sich die Patienten vorstellen, dass ihre Schmerzen nicht so schrecklich seien oder an ihnen angenehme Erlebnisse denken. Gleichzeitig sahen sie immer wieder, wie sich ihre Gedanken im Gehirn "niederschlugen" (siehe Bild oben).
...
Vorstellung einer Versuchsperson
Laura Tibbitt, eine Versuchsperson des Tests, die nach einem Reitunfall an chronischen Rückenschmerzen litt, stellte sich etwa vor, dass kleine Männchen den Schmerz aus ihrem Rücken entfernen würden, oder sie dachte an ihr sehr sympathische Schneeflocken.

Gleichzeitig mit dem Empfinden, dass der Schmerz zwar nicht verschwand, aber weniger wurde, konnte sie auch das sich verändernde Aktivitätsmuster ihres Gehirns beobachten.
...
Kombination aus Technologie und Vorstellungskraft
Die Forscher sind sich sicher, dass die Kombination aus Technologie und Vorstellungskraft den Schlüssel zum Erfolg darstellt.

So zeigte sich bei Kontrollgruppen, dass die Fähigkeit, das Schmerzempfinden zu steuern, verloren ging, sobald die Testpersonen keine Bilder ihres Gehirns oder solche von Zentren abseits der Schmerzverarbeitung sahen.
Objektive Bestätigung subjektiver Empfindungen
Ob sich dieser Ansatz auch zur langfristigen Therapie chronischer Schmerzen eignet, wollen die Mediziner noch nicht sagen.

Vorerst sieht es danach aus, als habe die Magnetresonanztomografie den Patienten die nötige objektive Bestätigung gegeben, dass sie tatsächlich ihr Gehirn und damit auch ihr Schmerzempfinden bewusst kontrollieren können.

[science.ORF.at, 13.12.05]
->   Stanford University
->   Mehr über Schmerzen im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010