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Innsbrucker Forscher: Neue Speichermöglichkeit für Quantencomputer  
  Die weltweiten Anstrengungen zur Entwicklung neuer Computergenerationen auf der Basis von Quanten-Teilchen laufen auf Hochtouren. Eine neue Speichermöglichkeit für Quantencomputer präsentieren jetzt Physiker vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck.  
Die Wissenschaftler erläutern ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe von "Science". Dabei wird Information in so genannten geometrischen Phasen festgehalten, berichtete Peter Zoller als einer der verantwortlichen Physiker im Gespräch mit der APA.
Quantenteilchen als Informationsträger
Bei Quantencomputern wird Information nicht wie bisher üblich über Magnetköpfe oder Laserlicht auf ein Medium gebannt, vielmehr dienen einzelne Quanten - etwa Photonen - als Träger der Information.

Die Innsbrucker verwendeten für ihren Ansatz Ionen, elektrisch geladene Atome. Das Material spielt laut Zoller dabei eine untergeordnete Rolle. Diese werden in Perlenketten zu etwa fünf bis zehn Stück in "Ionenfallen" eingefangen. Durch so genannte Coulomb-Abstoßung schweben die Teilchen in der Falle berührungsfrei.
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Eingriff in die Quantenwelt hinterlässt Spuren
Die eigentliche Informationsspeicherung passiert über
Quanteneffekte, die allesamt in der Welt, wie wir sie mit unseren Sinnen wahrnehmen, keine Entsprechung haben. Dreht man beispielsweise einen Körper in der Makro-Welt um exakt 360 Grad, so liegt er wieder genauso da wie vorher. Nichts deutet auf die Manipulation hin. In der Quantenwelt jedoch hinterlässt eine derartige Manipulation am Spin eines Teilchens - die etwa mittels eines Lasers ausgeführt wird - eine dauerhafte Spur in Form einer so genannten geometrischen Phase.
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Stabil
Die Innsbrucker Physiker betonten, dass diese Art von
Informationsspeicherung als statisches Phänomen sehr stabil sei und sich deshalb für einen möglichen Quantencomputer eignen könnte. Bisherige Ansätze zur Speicherung von Information auf Quantenebene arbeiten meist mit dynamischen Effekten, die ebenfalls durch Laserlicht ausgelöst werden.
Erste Schritte Anfang des Jahres
Die Forschungsgruppe rund um die Professoren Ignacio Cirac und Peter Zoller vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck arbeitet seit langem im Bereich der Quantenmechanik. Gemeinsam mit dänischen Kollegen hatten sie bereits im Jänner dieses Jahres in "Nature" (Nature 409, pp. 63-66, 2001) einen wichtigen Schritt zur Realisierung zukünftiger Quantentechnologien gesetzt.
Boomendes Zukunftsgebiet?
Die Quantenmechanik gilt zunehmend als Zukunftsgebiet der Physik, da hier im Bereich der Informations- und
Kommunikationstechnologie interessante neue Perspektiven
entstehen.

Von futuristischen Technologien wie Quantencomputern, die eine vielfach höhere Rechengeschwindigkeit haben sollen, neuartigen ultragenauen Atomuhren, Quantenkommunikation oder gar von Teleportation ist dabei die Rede - ein Phänomen, das erstmals durch den österreichische Physiker Anton Zeilinger vom Institut für Experimentelle Physik der Universität Wien experimentell beobachtet wurde.
Schrödinger als Erster
Eine wichtige Grundlage für all das ist die "Verschränkung", die als Begriff vom österreichischen Physiker Erwin Schrödinger eingeführt wurde und die so verblüffend ist, dass sie Albert Einstein als "geisterhafte Fernwirkung" bezeichnete: Quantenmechanische Teilchen in verschränktem Zustand zeigen nämlich viel stärkere Korrelationen, sprich Gemeinsamkeiten, als das die klassische Physik erlaubt.

Vereinfacht erklärt sieht das so aus, dass man, wenn zwei identische Münzen nacheinander geworfen werden, bereits nachdem die erste Münze zum Liegen gekommen ist, exakt vorhersagen kann, was die zweite Münze zeigen wird: Kopf oder Zahl.
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'Verschränkte' Teilchen
Anton Zeilinger beschreibt die so genannte "Verschränkung" von Teillchen wie folgt: "Die Verschränkung war von Erwin Schrödinger als das wesentliche Charakteristikum der Quantenphysik bezeichnet worden. Er beschrieb damit die Korrelationen zwischen Messungen, die an getrennten Quantensystemen vorgenommen werden. In gewissen Fällen sind diese Korrelationen stärker als alle Korrelationen, die von der klassischen Physik erlaubt sind. Man kann z. B. Paare von Teilchen erzeugen, die bei Messung immer genau die gleichen Eigenschaften zeigen - analog identischen Zwillingen. Die nahe liegende Annahme, dass sie dies deshalb tun, weil sie mit gleichen Eigenschaften geboren werden, ist für die Teilchenpaare jedoch falsch, wie der irische Physiker John Bell 1964 gezeigt hat. Vielmehr haben die verschränkten Teilchen von vornherein überhaupt keine Eigenschaften. Bei der Messung nimmt eines rein zufällig eine Eigenschaft an und das andere wird dann sofort die entsprechende Eigenschaft besitzen, ganz egal, wie weit es entfernt ist. Dies hat Einstein als 'spukhafte Fernwirkung' bezeichnet, die er nicht akzeptieren wollte."
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Verschränkte Zustände mit ultraheißem Gas
Die Innsbrucker Forschungsgruppe um Cirac und Zoller hatte bereits im Jänner einen Vorschlag unterbreitet, wie man solche verschränkten Zustände kontrolliert im Labor mit Hilfe eines Bosekondensats, eines Gases bestehend aus zehn Millionen ultrakalter Atome, erzeugen kann.

Die Herstellung eines Bosekondensates im Labor ist vor einigen Jahren erstmals von E. Cornell und C. Wieman an der University of Colorado gelungen. Das faszinierende an dem Vorschlag ist, dass hier Konzepte der Verschränkung quantenmechanischer Systeme mit den bemerkenswerten experimentellen Möglichkeiten von Bosekondensaten verknüpft werden.

Das öffnet neue Möglichkeiten der experimentellen Erzeugung makroskopischer Quantenzustände im Labor, ein wichtiger Schritt in der Verwirklichung neuer Quantentechnologien.

(red)
->   Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck
->   Institut für Experimentalphysik der Universität Wien
Originalartikel in 'Science'
Originalartikel in "Science" (kostenpflichtig) unter dem Titel: "Geometric Manipulation of Trapped Ions for Quantum Computation" (Science 292, 5.522, p. 1.695)
->   Science Magazine
->   Artikel in Nature (Nature 409, pp. 63-66, 2001; kostenpflichtig)
 
 
 
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01.01.2010