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Schneller Sieg über die Lepra bleibt Illusion  
  Den endgültigen Sieg über die Lepra wollte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eigentlich schon im vergangenen Jahr erklären. Angesichts hunderttausender neuer Fälle ist sie davon abgerückt - und betont die Notwendigkeit des anhaltenden Kampfs gegen die Infektionskrankheit. Dem schon seit biblischen Zeiten gefürchteten Aussatz in absehbarer Zeit Herr zu werden, bleibt eine Illusion.  
Indien, Brasilien und Afrika betroffen
2004 wurden wieder mehr als 400.000 Patienten neu registriert, vor allem in Indien, Brasilien und zahlreichen Ländern Afrikas. Geschätzt wird die Zahl der neuen Fälle auf das Doppelte.

Außerdem leiden etwa drei Millionen Menschen lebenslang an Behinderungen und Verstümmelungen auf Grund von Lepra.

"Wir müssen davon ausgehen, dass auch in den nächsten Jahrzehnten Millionen Menschen Opfer der Lepra werden", warnt die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) zum Welt-Lepra-Tag am 29. Jänner.
Weiter gesellschaftliche Stigmatisierung
Zwar nehme die Zahl der Patienten, die weltweit in staatlichen Einrichtungen behandelt würden, seit einiger Zeit ab, erklärt Geschäftsführer Jürgen Hammelehle. Vor ein paar Jahren waren es jährlich noch um die 700.000 neu registrierte Fälle.

Doch von Entwarnung könne keine Rede sein: "Ein Grund für den Rückgang ist die mittlerweile schwächer gewordene Suche nach den Kranken."

Und dass die Patienten rechtzeitig von sich aus zum Arzt gehen, wird von mehreren Faktoren erschwert: Lepra an sich tut nicht weh, Lepra ist oft nach wie vor mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung verbunden, oder es fehlt schlicht das Geld für den Arztbesuch.
Schwere Entzündungen
Lepra äußert sich zunächst meist in Flecken auf der Haut. Die Bakterien legen dort das Druck- und Schmerzempfinden lahm. Das können die Betroffenen noch leicht ignorieren.

Bis die Nerven so weit geschädigt sind, dass die Bewegung beeinträchtigt ist oder die Kranken sich auf Grund ihres mangelnden Schmerzgefühls schwere Entzündungen und Verletzungen einfangen, kann es für eine vollständige Heilung schon zu spät sein.
Antibiotika helfen
Mit Antibiotika, die über einen Zeitraum von neun bis zwölf Monaten eingenommen werden müssen, sind die Lepra-Erreger mittlerweile gut zu besiegen.

Wo die Nerven aber schon zerstört sind oder Entzündungen sich bis in die Knochen gefressen haben, können auch die Medikamente nichts mehr tun.

Nicht selten verlieren Lepra-Opfer Finger und Zehen, Hände und Füße. "Zwar lässt sich das Lepra-Bakterium mit Antibiotika gut abtöten", sagt Hammelehle. "Doch die Verstümmelungen und Entstellungen bleiben."
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Stichwort: Lepra
Das Lepra-Bakterium wurde 1873 von dem Norweger Gerhard Armauer Hansen entdeckt. Ein Großteil der Menschen besitzt eine natürliche Immunität gegen die Krankheit. Die Übertragungswege sind noch immer nicht genau bekannt. Es wird Tröpfcheninfektion angenommen. Klar ersichtlich ist jedoch, dass armutsbedingte Lebensumstände eine Infektion begünstigen.

Seit etwa 20 Jahren gibt es eine wirksame Medikamententherapie, mit der Lepra innerhalb von neun bis zwölf Monaten heilbar ist. Ein wirksamer Impfstoff gegen die Krankheit existiert bisher nicht. In Indonesien wurden Erfolge mit vorbeugenden Medikamenten erzielt. Ob eine solche Lepra-Prophylaxe den weltweiten Kampf gegen die Krankheit unterstützen kann, wird derzeit in großen Studien geprüft.
->   Mehr über Lepra (WHO)
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Bis zu vier Millionen Lepra-Behinderte
Die Zahl der Menschen, die wegen einer Lepra-Erkrankung lebenslang behindert bleiben, wird auf zwei bis vier Millionen geschätzt.

Jährlich kommen nach Angaben der DAHW Zehntausende hinzu. Viele von ihnen sind auf dauerhafte Hilfe angewiesen: Sie können nicht mehr für ihren und den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgen.
Früherkennung am wichtigsten
Der Dreh- und Angelpunkt der Lepra-Arbeit muss nach Ansicht der DAHW weiter die Früherkennung sein: "Die Kranken müssen rechtzeitig behandelt werden, damit sie niemanden anstecken und ihnen Verstümmelungen erspart bleiben", betont die Organisation mit Sitz in Würzburg.

Dies werde auch in dem neuen Strategie-Papier der WHO deutlich, in dem ein weiteres langfristiges Engagement gegen den Aussatz gefordert wird. Damit sollen die Bemühungen auch in Ländern nicht nachlassen, in denen die Lepra als eingedämmt gilt, also höchstens ein Fall pro 10.000 Einwohner auftritt.
WHO kämpft weiter gegen die Krankheit
Weil die Dunkelziffer in vielen Entwicklungsländern hoch ist und Lepra eine sehr lange Inkubationszeit hat, haben Hilfsorganisationen seit langem vor der Einschätzung gewarnt, dass die Krankheit in diesen Ländern keine relevante Aufgabe für die Gesundheitsdienste mehr darstelle.

Mit ihrer Forderung zu einer anhaltenden Anti-Lepra-Offensive vom Juli 2005 habe die WHO den Bedenken Rechnung getragen, lobt die DAHW: "Die Weltgesundheitsorganisation hat einen Richtungswechsel in der weltweiten Strategie im Kampf gegen Lepra vollzogen."

Silvia Vogt/AP, 27.1.06
->   Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe
 
 
 
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01.01.2010