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Fettleibigkeit als ansteckende Krankheit?  
  Die Hinweise verdichten sich, dass Fettleibigkeit durch Viren ausgelöst und somit ansteckend sein könnte. US-Forscher fanden heraus, dass Hühner, die mit bestimmten Adenoviren infiziert worden waren, doppelt so viel Körperfett entwickelten wie eine Kontrollgruppe.  
Ähnliche Zusammenhänge könnte es auch bei Menschen geben, vermutet das Forscherteam um Leah D. Whigham von der University of Wisconsin. Weitere Studien seien allerdings nötig, um diese Hypothese zu untermauern.
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Die Studie "Adipogenic potential of multiple human adenoviruses in vivo and in vitro in animals" erschien im "American Journal of Physiology - Regulatory, Integrative and Comparative Physiology" (Band 29, S.190-194; doi:10.1152/ajpregu.00479.2005).
->   Zur Studie
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Fett-Epidemie
Im Jahr 1997 stufte die WHO Fettleibigkeit als weltweite Epidemie ein. Besonders Besorgnis erregend ist die Situation etwa in den USA: Dort hat die sich die Zahl fettleibiger Menschen in den letzten 30 Jahren verdoppelt, unter Jugendlichen sogar verdreifacht.

Das hat ohne Zweifel mit Fehlernährung und Bewegungsarmut zu tun, weswegen die Standardempfehlungen zur Vermeidung von Übergewicht bisher folgendermaßen lauteten: "Essen Sie weniger!" und "Treiben Sie Sport!"

Nun könnte eine dritte hinzukommen, nämlich: "Waschen Sie ihre Hände!"
->   WHO - Obesity and Overweight
Adenoviren mitverantwortlich?
Der Grund dafür: So genannte Adenoviren stehen im Verdacht, die Bildung von Fettgewebe zu fördern. Von diesen Erregern kennt man zur Zeit 51 Arten (so genannte Serotypen), die meisten davon verursachen akute Infektionen der Atemwege, der Augen sowie des Magen-Darm-Trakts.

Einige davon dürften aber auch etwas mit der Bildung von Fettgewebe zu tun haben. So wurde etwa schon vor einigen Jahren festgestellt, dass Menschen, die mit dem Adenovirus Ad-36 infiziert sind, einen erhöhten Body-Mass-Index und - paradoxerweise - niedrigere Cholesterin-Werte aufweisen.

Ähnliche Assoziationen wurden bislang bei Mäusen, Hühnern und Affen nachgewiesen. Ein Forscherteam um Leah D. Whigham von der University of Wisconsin nahm nun einen engen Verwandten von Ad-36, nämlich Ad-37, unter die Lupe und verglich dessen Einfluss auf den Stoffwechsel mit zwei weiteren Vertretern diese Familie, Ad-31 und Ad-2.
->   Adenovirus - Wikipedia
Versuch: Infektion erhöht Körperfett
Dazu beimpften die US-Forscher Hühnerküken mit den drei Erregern und kontrollierten 3,5 Wochen später die körperliche Verfassung der Tiere. Was das Körpergewicht anlangt, hatte die Infektion offenbar keine besonderen Konsequenzen.

Sehr wohl jedoch, was das Fettgewebe betrifft: Die mit Ad-37 Virus infizierten Hühner hatten insgesamt doppelt soviel Körperfett entwickelt wie die Kontrollgruppe, das Fettgewebe im Bauchraum war sogar dreimal so üppig ausgeprägt.

Außerdem waren bei diesen Hühnern auch die Cholesterinwerte signifikant erhöht. Interessanterweise führte Ad-37 jedoch zu einer Reduktion der Blutfette (genauer: der Triglyceride im Serum).
Fernziel Impfung
Da die beiden anderen Virustypen offenbar keinen Einfluss auf die gemessenen Parameter hatten, folgern die Autoren in ihrer Studie: "Bis jetzt kennt man drei Adenoviren, die Fettleibigkeit in Tieren auslösen. Aber es ist keineswegs so, dass alle Adenoviren zu Übergewicht führen."

Der Zusammenhang zwischen den Einflussgrößen sei jedenfalls relativ komplex, betont Studienleiterin Whigham: "Es gibt Menschen und Tiere, die trotz einer Infektion mit den betreffenden Viren nicht fett werden. Wir wissen noch nicht, warum."
Weitere Studien nötig
Sie vermutet, dass in diesen Fällen entweder der Erreger noch nicht lange genug im Körper war - oder der Virus lediglich eine Tendenz zur Fettleibigkeit auslöst, die erst durch Überernährung in Gang gesetzt wird.

Sollte sich das Ergebnis in weiteren Studien bestätigen, schreibt Frank Greenway vom Pennington Biomedical Research Center Studien in einem Editorial, sei jedenfalls auch die Entwicklung einer Impfung denkbar. Eine vernünftige Ernährung wird sie indes wohl nicht ersetzen.

[science.ORF.at, 30.1.06]
->   University of Wisconsin-Madison
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01.01.2010