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IMP-Chef über Elite-Uni: Politische Entscheidung  
  Mit der Entscheidung, die geplante Elite-Uni in Maria Gugging bei Klosterneuburg (NÖ) anzusiedeln, hat nicht nur Wien den Standort-Poker verloren. Auch einer bereits existierenden Spitzenforschungsstätte in Wien ist ein potenzieller Forschungspartner abhanden gekommen: Barry Dickson, wissenschaftlicher Leiter des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP), hätte es sehr begrüßt, wenn die Elite-Uni eine Heimat in unmittelbarer IMP-Nachbarschaft in St. Marx gefunden hätte.  
Doch ob nun Gugging oder das ehemalige Flugfeld in Aspern, mit dem Wien bis zuletzt im Rennen lag, macht für den aus Australien stammenden Wittgenstein-Preisträger 2005 auch keinen großen Unterschied. Eine Kooperation wäre unter diesen Bedingungen "genauso wahrscheinlich wie mit einer australischen Einrichtung".

"Eine Chance vertan", bilanziert der Neurobiologe: "Das war wohl eher eine politische und keine wissenschaftliche Entscheidung, denn wissenschaftlich macht das keinen Sinn."
Wissenschafts-Cluster ...
Um wirklich gute Wissenschaft zu betreiben, brauche es Kooperationen. Ein Weg erschließe sich dabei über räumliche Nähe, so der wissenschaftliche Leiter:

"Entweder man trifft andere Forscher aus anderen Disziplinen immer wieder in einer entspannten Atmosphäre und entwickelt plötzlich im Gespräch eine gemeinsame Idee." Das passiere aber nicht mit Forschern, die auf der anderen Seite der Stadt arbeiten.

"Oder man hat eine Idee und sucht sich dafür geeignete Partner. Diese kann man aber auf der ganzen Welt - unabhängig der Entfernung - finden", so Dickson.
... durch räumliche Nähe
Die räumliche Akkumulation von Forschungseinrichtungen am "Campus Vienna Biocenter" ermöglicht dem IMP, vor rund 20 Jahren als "Centre of Exellence" gegründet, beispielsweise eine enge Forschungspartnerschaft mit dem Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) sowie Kooperationen mit Einrichtungen der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien.
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IMBA-Chef hätte auch Wien bevorzugt
Auch der wissenschaftliche Leiter des IMBA, Josef Penninger, hätte die Elite-Uni am liebsten in Wien in der unmittelbaren Nachbarschaft des "Campus Vienna Biocenter" gesehen. Das teilte Penninger am Freitag in einer Aussendung mit. Hatten die Medien zuvor noch kolportiert, dass der IMBA-Chef zukünftiger Leiter der Elite-Uni werden könnte, so merkte der Biotechnologe an, er werde in den kommenden Jahren "seine gesamte Energie darauf konzentrieren, das IMBA weiter auf seinem erfolgreichen Kurs zu führen".
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Großer Bedarf an Technikern und Mathematikern
Das Austrian Institute of Advanced Science and Technologies (AIAST) hätte als Forschungseinrichtung eine gute Ergänzung in St. Marx geboten, meint Dickson.

Die molekularbiologische und biomedizinische Grundlagenforschung, wie am IMP betrieben, hätte derzeit großen Bedarf an Technikern, Mathematikern und Physikern, da der Bereich immer interdisziplinärer wird: "Die Forschung wird quantitativer, es wird plötzlich auch gemessen", so Dickson.

Auch bei einem gemeinsamen PhD-Programm hätte der IMP-Chef Potenzial für eine Zusammenarbeit gesehen. Es gäbe bereits jetzt schon viele Anfragen von jungen Mathematikern an die Abteilung für Bioinformatik, die am IMP existiert.

Doch der nun weit entfernte Standort des AIAST macht eine Zusammenarbeit schwieriger.
Eigene interdisziplinäre Forschungseinheit geplant
Allerdings hat der IMP-Chef auch eigene Pläne: Mit der Übernahme der wissenschaftlichen Leitung zu Beginn des Jahres nahm sich Dickson, Experte auf dem Gebiet der Erforschung der Funktion von Genen bei den Taufliegen, zwei neue Projekte vor, die die Exzellenz der Forschungsstätte weiter untermauern sollen.

Zum einen will er eine neue interdisziplinäre Forschungseinheit schaffen, bestehend aus hoch qualifizierten Experten der Mikroskopie, Bildanalyse, Computer-Modelling und Biotechnologie. Diese sollen andere Wissenschaftler des Instituts bei ihrer Arbeit unterstützen und auch die quantitative Modellentwicklung in der Biologie fördern.
Modell aus den USA zur Förderung junger Talente
Zum anderen ist bereits ein neues IMP-Fellowship-Programm zur Talentförderung gestartet: Dabei wird besonders talentierten Nachwuchswissenschaftlern unmittelbar nach dem Doktorat oder nach kurzer Arbeitszeit als Post Docs ein unkonventionelles Forschungsangebot gemacht. Die Forscher können eigenständig ihre innovativen Forschungsideen umsetzen und genießen dabei große Freiheit.

Das sei keine neue Idee, sagt Dickson: "Sie wurde aus den USA übernommen" und zuerst am Massachusetts Institute of Technology (MIT) umgesetzt. "Soweit ich weiß, sind wir aber die Einzigen, die ein solches Programm in Mitteleuropa anbieten."

Und das IMP profitiert davon: "Es ist ein guter Weg, neue Aspekte ins Haus zu bringen", so der Direktor. So würde dadurch nicht nur die inhaltliche Diversität gefördert, sondern auch die kulturelle. Schon heute arbeiten am IMP rund 200 Forscher aus etwa 30 Nationen.
Schlüssel zur Exzellenz: Grundbudget, Freiheit ...
Was ist das Geheimnis des Erfolgs? Für den Institutschef gibt es einige Punkte - sie könnten durchaus auch als eine Art Checkliste für das AIAST dienen:

Eine gute finanzielle Grundausstattung sei das A und O - der Kampf um Drittmittel sehr zeitaufwendig und nicht sehr förderlich für die innovativen, also riskanten Projekte.

Beim Geld - ob von öffentlicher Hand oder privat - sei es wichtig, keine Auflagen damit zu verbinden. Am IMP gibt es daher auch keine Auftragsforschung für IMP-Initiator Boehringer Ingelheim, der etwa drei Viertel des Budgets finanziert (Jahresbudget 2005: rund 23,5 Mio. Euro).

"Das IMP wird sehr gut finanziert - ohne Ketten anzulegen. Damit werden junge Wissenschaftler unterstützt, ebenfalls ohne Bedingungen zu stellen. Sie haben beides, die Freiheit und die Mittel, ihre Wissenschaft zu tun - und ich denke, das ist kein Geheimnis", so Dickson.
... Talente, Umfeld sowie Standort
Für Dickson geht es in erster Linie darum, die richtigen und talentierten Leute zu finden und zu fördern: "Es liegt nicht nur am Geld. Es liegt an den Menschen. Das IMP war erfolgreich, begabte junge Leute zu finden und ihnen Freiheit zu geben." Das sei die Grundvoraussetzung für die Schaffung einer Eliteeinrichtung. Die disziplinäre Ausrichtung spiele dabei eine untergeordnete Rolle.

Den talentierten Leuten müsse man ein internationales Umfeld, also Englisch als Arbeitssprache und einen internationalen wissenschaftlichen Beirat, sowie eine gute wissenschaftliche Infrastruktur bieten.

Und es ginge auch um den Ruf und die Attraktion des Ortes. Dickson sieht Wien dabei als einen sehr attraktiven Standort für junge Wissenschaftler.

Lena Yadlapalli, science.ORF.at, 3.2.06
->   IMP
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01.01.2010