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Experte: Kein striktes Bilderverbot im Islam  
  Die Aufregung über Mohammed-Karikaturen spitzt sich weltweit zu. Ein österreichischer Experte erinnert nun daran, dass es im Islam gar kein striktes Bilderverbot des Religionsgründers gibt.  
Laut Bert Fragner, dem Leiter des Instituts für Iranistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), hat es sich im Islam zwar eingebürgert, den Propheten nicht abzubilden. Dieses Verbot gelte aber "nicht 100-prozentig", meinte er gegenüber science.ORF.at.
Zahlreiche Bilder von Mohammed existieren
Die Regelvorschriften im Islam existierten in fünffacher Abstufung - von "strikt verboten" bis zu "geboten". Das Mohammed-Bilderverbot gehöre mit Sicherheit nicht zu der absoluten Kategorie.

Das zeige sich schon an den tatsächlich kursierenden Bildern in der islamischen Welt. "Von Nordafrika bis Indien gibt es eine Fülle von ikonisierten Darstellungen des Propheten, in grünem Gewand und mit gütigem Blick, aber immer mit einem Buch - dem Koran - in der Hand", so Fragner.

Diese Bilder seien etwa in Indien oder im Iran von Straßenhändlern leicht zu erwerben.
"Künstliche Aufregung", die Radikalen nützt
Die Aufregung, die nun rund um die dänischen Karikaturen entstanden ist, hält Fragner für "künstlich". Beweis dafür ist schon die lange "Erregungszeit", schließlich wurden die Karikaturen bereits im September 2005 veröffentlicht.

In den vier Monaten bis zum Ausbruch des Skandals habe ein Bewusstseinsprozess eingesetzt, "ähnlich der Verbreitung von Grippeviren". Als Viren bezeichnet Fragner jene Teile "im vielfältigen Spektrum des Islam, die auf politische Radikalismus" setzen.

Für sie ist die aktuelle Affäre ein idealer Anlass, um ihre eigenen Positionen darzustellen und ihre Existenz zu rechtfertigen. Die "künstliche Aufregung" sei vor allem eine "theatralisch-politische - in ihrer Struktur durchaus ähnlich den Aufregungen um die Saliera in der österreichischen Parlamentssitzung von dieser Woche".
Geschmacklose Karikaturen
Die Karikaturen selbst hält er für "grundsätzlich geschmacklos". Wenn sich Nicht-Muslime in Mehrheitsgesellschaften wie Dänemark über Muslime lustig machen, dürfe sich niemand wundern, wenn diese beleidigt reagierten.

In der öffentlichen Diskussion würden sie viel zu oft "in einen Topf geworfen", Fragner plädiert hier für mehr Differenzierung.
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Tage des Zorns ausgerufen
Der Streit über die Karikaturen des islamischen Religionsgründers Mohammed führt nun zu ersten Gewalttaten. Der Großmufti von Katar rief den Freitag zum "internationalen Tag des Zorns" aus.
->   Mehr dazu in ORF.at (3.2.06)
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Mehr Anstand nötig
Für die Zukunft sei es nützlich, wenn die Freude am Spott ein wenig gedrosselt werden würde. Fragner empfiehlt zukünftigen Cartoonisten eine Mischung von Ästhetik und Ethik, "die man Anstand nennt".

"Das Maß an 'innerwestlichem Anstand', in dem etwa in Europa gegenseitige konfessionelle Kritiker bzw. Säkularisten gegen gläubige Religiöse vorgehen würden, ist auch für satirische Kritik an Muslimen anzuwenden. Hat es denn je eine Karikatur gegeben, in der der Papst und die Jungfrau Maria als martialische Unterstützer der IRA in Irland lächerlich gemacht worden sind?", so Fragner.

Westliche Beobachter sollen sich von islamischen Kritikern aber auch nicht einreden lassen, dass die Karikaturen automatisch Teil einer gemeinsamen Identität seien. Forderungen an die westliche Legislative von ihrer Seite seien zurückzuweisen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 3.2.06
->   Institut für Iranistik der ÖAW
->   Die Karikaturen in der "Welt"
 
 
 
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01.01.2010