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Männer gleichen Namens sind einander genetisch ähnlich  
  "Name ist Schall und Rauch", sagte Faust zu Gretchen. In genetischer Hinsicht nicht unbedingt, korrigieren nun britische Forscher: Sie fanden heraus, dass einander die Y-Chromosomen nichtverwandter Männer stark ähneln, sofern diese denselben Nachnamen tragen.  
Das gilt insbesondere für seltene Namen, berichtet ein Team um Mark A. Jobling von der University of Leicester. Diese Erkenntnis könnte dereinst auch in der Forensik Anwendung finden. Denn von anonymen DNA-Proben könne man unter Umständen auf den Namen Verdächtiger schließen.
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Die Studie "Genetic Signatures of Coancestry within Surnames" von Turi E. King et al. erschien in "Current Biology" (Band 16, S. 384-388, doi: 10.1016/j.cub.2005.12.048).
->   Abstract der Studie
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Der Zwerg unter den Chromosomen

X- und Y-Chromosom,
etwa 10.000fach vergrößert
Das Y-Chromosom ist im Vergleich zu den anderen Chromosomen, den so genannten Autosomen, eine ziemlich traurige Schrumpfversion: Rund ein Drittel so groß, trägt es lediglich 78 Gene, die vorwiegend mit der Fruchtbarkeit des Mannes zu tun haben.

Nur etwa fünf Prozent seines Erbmaterials eignen sich für den Austausch mit dem X-Chromosom - es ist daher weitgehend ausgeschlossen von der genetischen Lotterie, die man sexuelle Rekombination nennt.

Zum Glück für die Verwandtschaftsforschung: Da das Y-Chromosom über die väterliche Linie vererbt wird, kann man damit relative einfache Stammbäume konstruieren, die bis zu den Urahnen der Gattung Homo reichen.
->   Y-Chromosom - Wikipedia
Verbindung zwischen Name und Genom?
Ähnlich ist die Situation auch bei der Namensgebung, die über Jahrhunderte hinweg reine Männersache war - also ebenfalls über die väterliche Linie vererbt wurde.

Was zur Frage führt: Könnte zwischen diesen beiden Sachverhalten ein Zusammenhang bestehen? Im trivialen Fall von nahe Verwandten - etwa Vater und Sohn - ist diese Vermutung mit Sicherheit richtig. Aber könnten einander die Y-Chromosomen von Namensvettern auch dann ähneln, wenn letztere keinerlei verwandtschaftliche Beziehungen unterhalten?
Forscher testet Hypothese an eigenem Namen
Im Jahr 2000 testete der Oxforder Genetiker Bryan Sykes diese Hypothese exemplarisch - und zwar an seinem eigenen Nachnamen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte von 48 Personen namens "Sykes" trug eine Komposition bestimmter Gensequenzen auf ihrem Y-Chromosom, die sich in bei keinem der Probanden aus der Krontrollgruppe fand (American Journal of Human Genetics, Bd. 66, S. 1417).

Das spreche dafür, schrieb damals Sykes mit seiner Kollegin Catherien Irven, dass es tatsächlich einen einzelnen Namensgründer gegeben habe, dessen genetischer Fingerabdruck noch heute sichtbar sei. Und fügte an: "Sollte sich dieses Muster auch bei anderen Nachnamen bestätigen, dann könnte es auch in forensicher Hinsicht Anwendung finden."
Von "Smith" bis "Rivis"
Es kann, bestätigt nun ein Team um Mark A. Jobling von der University of Leicester in einer aktuellen Studie. Die Forscher aus den englischen Midlands wählten für ihre Untersuchung 150 Männer mit unterschiedlichen Nachnamen aus.

Dabei reichte die Palette von Allerweltsnamen - wie "Smith", den 560.000 Briten tragen - bis hin zu ausgesprochen seltenen - wie etwa "Rivis", den nur 50 Briten ihr Eigen nennen. Diesen Männern ordneten sie 150 zufällig ausgewählte Namensvetter zu und untersuchten dann allfällige Übereinstimmungen auf deren Y-Chromosomen.
Nomen est gen-omen
Die Paare wiesen tatsächlich genetische Ähnlichkeiten auf, und dieser Zusammenhang war besonders bei seltenen Namen ausgeprägt. Das ist insofern überraschend, als es eine Reihe von verzerrenden Faktoren gibt - wie etwa Mehrfachentstehung von Namen, Namensänderung, Adoptionen u.a. -, die das Muster durchaus überlagern könnten.

Jobling und Kollegen berechneten auch, mit welcher Wahrscheinlichkeit Forensiker anhand von DNA-Proben auf den Namen einer gesuchten Person schließen könnten. Innerhalb der Gruppe der 80 seltensten Namen betrug diese Wahrscheinlichkeit immerhin 34 Prozent, bei Allerweltsnamen war sie deutlich geringer. Anders ausgedrückt: Wer sich im kriminellen Milieu einen Namen machen will, sollte am besten "Maier" oder "Müller" heißen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 22.2.06
->   Website von Mark A. Jobling
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01.01.2010