News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Gladiatoren kämpften nach strengen Regeln  
  Die Gladiatorenkämpfe im antiken Rom werden oft als regelloses Ringen ums blanke Überleben dargestellt, das der Belustigung des Volkes diente. Laut österreichischen Forschern waren die Arenen aber keineswegs Schauplätze der blinden Gewalt und des regellosen Gemetzels - im Gegenteil: Es herrschte strenges Reglement auf dem Platz.  
Forensische Analysen bei Knochenfunden des bekannten Gladiatoren-Friedhofs bei Ephesos (heute in der Türkei) ergaben, dass die Verletzungen nicht so vielfältig waren, wie es bei einem regellosen Kampf zu vermuten wäre.

Daher folgern Karl Großschmidt vom Institut für Histologie der Medizin-Universität Wien und Fabian Kanz vom Österreichischen Archäologischen Institut laut der Zeitschrift "New Scientist", dass die Angriffe sehr diszipliniert erfolgten.
...
Der Artikel "Gladiators fought it out by the book" erschien im "New Scientist" (25. Februar 2006, S. 17).
->   New Scientist
...
Dicke Vegetarier, die Todeshieb von Henker bekamen
Die österreichischen Forscher hatten bereits vor zwei Jahren anhand von Spurenelementanalysen bei den Gladiatoren-Knochen nachweisen können, dass sich die Gladiatoren - Überlieferungen bestätigend - vegetarisch ernährten. Zudem waren sie wohl vergleichsweise fettleibig.

Aus römischen Artefakten konnte auch bereits herausgelesen werden, dass Gladiatoren im Kampf einem Satz von Regeln folgen - überwacht durch zwei Kampfrichter.

Die forensischen Untersuchungen konnten nun eine weitere Vermutung der Historiker bestätigen: Die Gladiatoren, die vom Volk zum Tod verurteilt worden waren, sind häufig noch lebend aus der Arena "gezogen" worden. Der endgültige Todeshieb - in Form eines Hammerschlags seitlich auf den Kopf - wurde ihnen von einem Henker hinter der Bühne versetzt.
Auf der Suche nach der Todesursache
Die Gladiatorengräber aus dem zweiten Jahrhundert n.Chr. wurden erst 1993 in Ephesos, dem einstigen Machtzentrum des Römischen Reiches, entdeckt.

Großschmidt und Kanz nutzten für die Untersuchung der Knochen von insgesamt 67 Gladiatoren moderne Forensik-Techniken, um die Todesursache zu bestimmen.

Mittels CT Scanning, einer aus der Medizin bekannten Technologie zur Röntgen-Computer-Tomografie, und Mikroskopie analysierten sie die Spuren von Verletzungen auf den geborgenen Knochen.
Ein Waffentyp pro Angriff
Die Wissenschaftler ermittelten, dass die Kämpfer Verletzungen zumeist nur am Schädel, nicht aber am Körper hatten. Auch Verstümmelungen gab es keine.

Die vorkommenden Verletzungen auf der Vorderseite der Schädel lassen die Wissenschaftler vermuten, dass jedem Gegner nur ein Waffentyp pro Attacke zur Verfügung stand.

Der Tod von zehn Gladiatoren sei eindeutig auf einen seitlichen, den Schädel zerschmetternden Schlag auf den Kopf zurückzuführen - ein quadratisches Loch, der vermutlich von einem Hammer stammt. Da sie während des Kampfes Helme trugen, vermuten Großschmidt und Kanz daher eine Hinrichtung der Gladiatoren danach - dafür lieferten bereits Darstellungen in der Kunst oder Literatur Hinweise.
...
Kontroverse Theorie: Reines Kampfsport-Spektakel
Mit Beginn des ersten Jahrtausends ist der Gladiatorenkampf zu einem Kunstkampfsport gereift, behauptete 2005 der Archäologe Steve Tuck der University of Miami. Grundlage für diese sehr kontroverse Theorie war eine Rekonstruktion von Kampftaktiken anhand von römischen Artefakten und mittelalterlicher Kampfbücher.

Zur bloßen Unterhaltung des Publikums hätten die Gladiatoren eine breite Palette an Kampffertigkeiten geboten, so Tuck, die weniger mit einem Überlebenskampf, sondern mit einer Kunstfertigkeit zu tun gehabt hätten.
->   Artikel (New Scientist, 22. Jänner 2005)
...
Systematik im Kampf
Wie der New Scientist berichtet, stützen die Studienergebnisse laut Großschmidt nicht die Theorie, dass es sich bei den antiken Gladiatorenkämpfen um bloße Spektakel von Kampfkunst gehandelt habe, bei denen der Tod nur selten vorkam.

Kathleen Coleman, eine Gladiatoren-Historikerin von der Harvard University, stimmt dem zu. Die Art und Weise, wie die Schädel verletzt worden seien, würde dafür sprechen, dass "Disziplin im Gladiatorenkampf sowie beim 'Nachspiel' herrschte".

Die Ergebnisse der österreichischen Untersuchung werden demnächst in der Fachzeitschrift "Forensic Science International" publiziert.

[science.ORF.at/dpa, 23.2.06]
->   Österreichisches Archäologisches Institut - Ephesos
->   Institut für Histologie und Embryologie
->   Forensic Science International
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Römische Gladiatoren waren dicke Vegetarier (2.3.04)
->   Helden der Arena: Gladiatoren von Ephesos (7.5.02)
->   Alle Beiträge zum Stichwort Ephesos
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010